Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9873 Letzte Aktualisierung: 23.03.2024

Dieter Schneider: Frau Nahles blufft!

Die eigentlichen Profiteure des Mindestlohnes ....


 

Ein Artikel von Dieter Schneider:

Andrea Nahles verschafft Friseurinnen und Friseuren ein höheres Einkommen
So könnte das jeder meinen, der unbefangen, d. h. nicht näher informiert, das liest, was die Medien überwiegend berichten. Ein passendes Beispiel dafür ist WAZ online, die wie folgt berichtet:

Mindestlohn von 8,50 Euro soll für fast alle gelten (Fettdruck überall nachträglich vorgenommen)
(Darunter ein Bild von Friseurhänden bei der Arbeit und dazu folgende Bildunterschrift:)

Ein Friseur bei der Feinarbeit: Waschen, schneiden, färben, föhnen, legen – und das den ganzen Tag lang im Stehen.
Friseurinnen und Friseure sollen vom neuen Mindestlohn profitieren. Foto: dpa

Berlin. Er ist ein zentrales Projekt der großen Koalition, lange wurde zäh darum gerungen. Künftig sollen Millionen Bürger dank 8,50 Euro Mindestlohn mehr Geld in der Tasche haben. Die Wirtschaft sieht dadurch allerdings Jobs in Gefahr – doch nun steht das Paket. Und das Kabinett wird es noch vor Ostern beschließen.

Gestritten wird über das ­große Koalitionsprojekt schon ­länger, jetzt werden die Mindestlohn-Pläne endlich konkret: Von der gesetzlichen Lohnuntergrenze von 8,50 Euro ab nächstem Jahr wird es kaum Ausnahmen geben – nur ­Jugendliche unter 18 Jahren, Langzeitarbeitslose beim Wiedereinstieg, Auszubildende und Ehrenamtliche sollen ausgenommen bleiben.

Das geht aus dem Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea ­Nahles (SPD) hervor, der in zwei Wochen vom Kabinett beschlossen werden soll. „Der Mindestlohn kommt pünktlich zum 1.1. 2015 und ohne Branchen-Ausnahmen“, sagte Nahles.
….

Wer vom Mindestlohn profitieren würde - und wer nicht
1,3 Millionen Arbeitnehmer würden von einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro in der Stunde profitieren: Kellner, Verkäuferinnen, Erntehelfer und viele andere. (Bildunterschrift, im Bild wird eine Friseurin gezeigt)

Tarifverträge können geringere Bezahlung sichern Alle Branchen, die noch Probleme durch den Mindestlohn sehen, will die Regierung auf die Möglichkeit verweisen, über Tarifverträge bis Ende 2016 unter dem Mindestlohn von 8,50 Euro zu bleiben.

Die Wahrheit: Frau Nahles verschafft mit dem gesetzlichen Mindestlohn den Friseurinnen und Friseuren kein höheres Einkommen!

Frau Nahles blufft, wenn sie behauptet, dass es ab 1. Januar 2015 keine branchenspezifischen Ausnahmen gibt. Es gibt nämlich jede Menge Ausnahmen. Gerade auch für den Friseurberuf, der zweimal im Bild gezeigt wird. Ehrlicher wäre der Satz gewesen:

Ab 1. Januar 2017 gibt es keine branchenspezifischen Ausnahmen mehr.

Die branchenspezifischen Ausnahmen zwischen 1. Januar 2015 und 1. Januar 2017 gelten für allgemeinverbindliche Tarifverträge mit niedrigeren Mindestlöhnen. Die sind mit stufenweiser Anhebung der Mindestlöhne viel vernünftiger als der kommende gesetzliche Mindestlohn. Für das Friseurhandwerk gilt z. B. schon jetzt und in überschaubarer Zukunft ein allgemeinverbindlicher Mindestlohn:

>

 Ab 01.08.2013ab 01.08.2014ab 01.08.2015
West EUR 7,50 EUR 8,00  
      EUR 8,50
Ost EUR 6,50 EUR 7,50  

Darüber hinaus gibt es in verschiedenen Bundesländern allgemeingültige Tarifverträge, die schon jetzt in der Nähe von 8,50 Euro für „Einsteiger“ und deutlich höhere für „Fortgeschrittene“. Diese Tarifverträge wurden schon viel früher nicht wegen der Angst vor dem gesetzlichen Mindestlohn abgeschlossen, sondern aus der Einsicht, dass gute Mitarbeiter für das Friseurhandwerk nur noch zu gewinnen sind, wenn gute Löhne, erwirtschaft mit guten Preisen, bezahlt werden.

Diese Tarifverträge sollen (hoffentlich) weiter gültig bleiben. Selbst wenn der bundesweite tarifliche Mindestlohn zu Gunsten des gesetzlichen Mindestlohnes abgeschafft würde, ergäbe sich nur ein höherer Lohn von 0,50 Euro (West) und 1,-- Euro (Ost) für die Zeit von 1.Januar 2015 bis 1. August 2014 Nur sieben Monate früher müsste 2015 der gesetzliche Mindestlohn anstelle des tariflichen Mindestlohnes gezahlt werden, wenn es die branchenspezifische Lösung nicht gäbe. Andersherum ausgedrückt: Der gesetzliche Mindestlohn brächte den betroffenen Mitarbeitern kaum mehr Lohn als der bisherige tarifliche Mindestlohn.

Da es aber bis 2017 bei den tariflichen Mindestlöhnen bleiben soll, habe alle angestellten Friseurinnen und Friseure im Osten wie im Westen keine Cent mehr vom gesetzlichen Mindestlohn ab 2015 in der Tasche.
Das ist für die breite Öffentlichkeit eine überraschende Feststellung, denn das Friseurhandwerk wurde immer wieder als Beispiel für „Hungerlöhne“ in den Medien dargestellt.

Das ändert aber nicht an der Tatsache, dass die enorm steigenden Arbeitskosten sowohl durch den tariflichen als auch den gesetzlichen Mindestlohn, auch da vielen Friseurinnen und Friseuren kaum etwas bringen, wenn tatsächlich sehr niedrige Stundenlöhne weit unter 8,50 gezahlt wurden. Denn nicht wenige der „Niedriglöhner“ haben ihren niedrigen Stundenlohn mit Hartz IV aufgestockt. Das wird bei höheren Löhnen weitgehend so verrechnet, dass die Arbeitnehmer kaum mehr Geld in der Tasche haben, die Arbeitgeber aber enorme Kostensteigerungen verkraften müssen, die nicht nur die Rentabilität der Friseurunternehmen gefährdet, sondern auch die Arbeitsplätze..

Da sind die eigentlichen Profiteure des Mindestlohnes die öffentlichen Hände, die mehr Steuern und Sozialabgaben einnehmen und Hartz IV-Gelder sparen.

Das aber auch nur theoretisch. In der Praxis wird das viele Arbeitsplätze kosten und die branchenspezifische Arbeitslosigkeit (auf dem Papier) kräftig erhöhen. Dann wird Schwarzarbeit oder Selbständigkeit mit niedrigen Preisen und niedrigem Gewinn (auf dem Papier) auch wieder mit Hartz IV aufgestockt und damit auch das Lohn- und Preisniveau im deutschen Friseurhandwerk weiter gedrückt. Minister Schäuble soll der Ministerin Nahles mehr Zöllner zur Überprüfung der Wirksamkeit des Mindestlohngesetzes versprochen haben. Hoffentlich gehen die dann zu den Richtigen.

Für die Mitarbeiter in Friseurunternehmen in Deutschland bedeutet das: Sie müssen selber sehr gut sein und in sehr guten Friseurunternehmen arbeiten, wenn sie auf ehrliche Weise mit ihrer Arbeit gutes Geld verdienen wollen Der Glaube, dass ein Mindestlohn auch ohne Mindestleistung möglich ist, mag im öffentlichen Dienst verbreitet sein, im Friseurhandwerk ist es eine gefährliche Fehleinschätzung.

Leistungsschwachen Friseurinnen und Friseuren - egal ob selbständig oder angestellt - bleibt dann nur der Weg in die Schattenwirtschaft oder Abschied von der Branche.
Letzteres ist vor allen denjenigen zu raten, denen es an der speziellen Begabung für diesen anspruchsvollen Beruf mangelt. Und das sind leider sehr, sehr viele.

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