Medien-Information des Redaktionsbüro MARKTLÜCKE zur Berichterstattung über die Preispolitik der Klier-Kette
Friseurkette Klier erhöht drastisch die Preise<und
Haarschnitte unter 20 Euro sind nicht machbar
Das sind die Überschriften von zwei Wirtschaftswoche-Artikeln im Internet. Darauf aufmerksam geworden bin ich durch einen kleinen Beitrag in der FAZ vom 2. Juni, der die Überschrift hat: Friseur Klier hebt wegen Mindestlohnes die Preise an
Der Text in der FAZ stammt von der Deutschen Presseagentur (DPA). Da die FAZ ihn nicht exklusiv bekommen hat, ist davon auszugehen, dass er viel mehr verbreitet wird als der ursprüngliche Artikel in der Printausgabe und den Internetversionen der Wirtschaftswoche.
Die Wirtschaftwoche (WIWO) schreibt im Internet:
Friseurgewerbe hatten sich die Tarifparteien auf die stufenweise Einführung eines branchenweit gültigen Mindestlohns geeinigt. Seit August 2013 müssen im Westen mindestens 7,50 Euro und in Ostdeutschland 6,50 Euro gezahlt werden. Im August 2014 und ein Jahr später steigen die Stundenlöhne nochmals auf 8,50 Euro an.
Das ist korrekt und beruht auf einer Aussage von Michael Klier.
DPA verkürzt das wie folgt:
Die Tarifparteien im Friseurgewerbe hatten sich auf eine stufenweise Einführung des Mindestlohnes geeinigt. Ab August 2015 soll er im gesamten Bundesgebiet bei 8,50 Euro liegen und Vorschrift sein.
Der gewöhnliche Leser der DPA-Meldung in den verschiedenen Medien fragt sich, wieso die Friseurkette die Preise schon jetzt drastisch erhöht. Im Interview der WIWO mit Klier wird deutlich, dass schon die erste Stufe der Mindestlöhne von 6,50 Euro in den neuen Bundesländern und 7,50 Euro in den anderen Bundesländern die Bilanz der Klier-Gruppe im Jahre 2013 verhagelt hat. In der DPA-Meldung ist das nicht zu erkennen.
„In der gesamten Branche dürften die Preise in den nächsten Monaten im Bundesdurchschnitt im zweistelligen Prozentbereich anziehen. Das ist die Grundvoraussetzung, um den Mindestlohn zu finanzieren“, wird Klier von der WIWO zitiert und das meldet dann auch DPA.
Das ist natürlich blühender Unsinn und gezieltes Wunschdenken von Michael Klier. Fragt sich jedoch, ob das den anderen Friseurunternehmen im deutschen Markt nutzt oder schadet.
Unabhängig davon zunächst die Erklärung, warum die Aussage von Klier Unsinn ist:
- In vielen Unternehmen wird schon jetzt allen Mitarbeitern wesentlich mehr als 7.50 Euro im „Westen“, und 6,50 Euro im „Osten“ bezahlt. Allein wegen des tariflichen Mindestlohnes müssten deshalb diese Friseurunternehmen die Preise aktuell nicht erhöhen.
- Rund 40 Prozent aller deutschen Friseurbetriebe haben überhaupt keine Mitarbeiter. Auch die müssen wegen der Mindestlöhne die Preise nicht erhöhen. Bei der Schattenwirtschaft ist das differenzierter zu sehen. Die klassischen Schwarzarbeiter, die ohnehin schon deutlich mehr als 8,50 für eine Stunde Friseurarbeit verlangen, werden ihre Preise nicht gleich, aber mit zeitlichem Abstand nach oben anpassen, aber immer noch mit deutlichen Abstand zu den regulären Preisen. Wenn Klier im Interview mit der Wirtschaftswoche verkündet: Das Experiment der Discount-Friseure ist gescheitert, dann gilt das nur für den „seriösen“ Discount. Mit seriös ist gemeint: Keine schwarzen Umsätze und schwarze Löhne.
Der unseriöse Discount, ermöglicht durch massive Steuer- und Sozialabgaben- vermeidung wird bei allgemeinen Preiserhöhungen für Friseurdienstleistungen weiter zunehmen, wenn nicht gezielt von staatlicher Seite gegen die Schattenwirtschaft vorgegangen wird.
- Unsinn ist auch die Zahl von mindestens 10 Prozent Preiserhöhung. Mit voller Absicht sagt Klier nicht: Wir müssen um mindesten 10 Prozent erhöhen, sondern: Die gesamte Branche muss um mindestens 10 Prozent erhöhen. Nur wer wie Klier in der Vergangenheit viele Mitarbeiter weit unter 6,50 bzw. 7,70 Euro bezahlt hat, muss jetzt die Preise stark erhöhen. Es müssen aber augenblicklich nicht 10 Prozent sein. Klier sagt im Interview selber:
„Die Erhöhung des Mindestlohns auf 8,50 Euro bedeutet für uns eine Kostensteigerung von sechs bis sieben Millionen. Die Lücke müssen wir schließen.
An anderer Stelle steht, dass Klier im Jahre 2013 insgesamt 137 Millionen Umsatz erwirtschaftet hat. Das sind rund 5 Prozent notwendige Preiserhöhung und das auch erst ab August 2015, wenn bundesweit ein allgemeinverbindlicher Tariflohn von 8,50 Euro gilt.
Die Erklärung von Klier: Auch andere Kosten steigen. Das ist nur ein Teil der Erklärung. Klier rechnet sicher mit Mengenrückgang (Kundenzahlen), hütet sich aber, das laut zu sagen.
Klier sagt wörtlich: Herrenhaarschnitte inklusive Waschen, Schneiden, Stylen für weniger als 20 Euro sind nicht mehr machbar. In dem WIWO-Begleittext heißt es: Waschen, Schneiden, Stylen für weniger als 20 Euro sind nicht mehr machbar.
In der Wirtschaftswoche wird daraus die Überschrift
Haarschnitte unter 20 Euro sind nicht machbar
In der DPA-Meldung in der FAZ wird daraus:
Herrenhaarschnitte für weniger als 20 Euro seien künftig nicht mehr machbar, zitiert ihn das Magazin weiter.
Das ist eine richtige Verfälschung-Kette der ursprünglichen Aussage von Klier, Wenn es bei Klier keine Trockenhaarschnitte gäbe, wäre die unterschiedliche Wiedergabe seiner Aussage verständlich, für die Friseurbranche insgesamt ist jedoch „mindestens 20 Euro für einen Haarschnitt“ grundfalsch. Einen Trockenhaarschnitt für 10 Euro und einwandfreier Qualität machen nicht nur „Friseure mit Migrationshintergrund“ in 15 Minuten und weniger und kommen bei guter Auslastung auf einen tollen Stundenpreis. Umgekehrt verstehen viele Frauen unter Haarschnitt grundsätzlich einen Nasshaarschnitt, also Waschen, Schneiden, Fönen.
Die Schlagzeile Haarschnitte unter 20 Euro sind nicht machbar, verwirrt also mehr als sie der Branche nutzt.
Damit komme ich auf die Frage nach dem Nutzen oder Schaden solcher teils falschen, teils unklaren Aussagen für andere Friseurunternehmen.
Dazu ist zunächst zu sagen:
Es ist nicht gut, wenn ein einzelnen Friseurunternehmen, nicht zuletzt weil es einschließlich Essanelle das größte in Deutschland ist, praktisch die Öffentlichkeitsarbeit für die gesamte Branche macht.
Die Öffentlichkeitsarbeit von Klier ist interessengesteuert.
Das Unternehmen muss die Löhne und Preise drastisch erhöhen. Es wäre eine wirtschaftliche Katastrophe für das Unternehmen Klier, wenn große Teile der Branche auf allen Preisebenen da nicht mitziehen würden. Nachdem das Unternehmen Klier und das Unternehmen Essanelle aktiv dazu beigetragen haben, dass es bundesweit branchenspezifische Mindestlöhne gibt, müssen sie sehen, dass es auch Mindestpreise gibt.
Ob andere Friseurunternehmer die günstige Gelegenheit der Ankündigung von Preiserhöhungen nutzen wollen, ist die entscheidende Frage. Um diese Frage zu beantworten, ist eine Feststellung wichtig:
Nicht nur die Friseure mit Nachholbedarf bei den Löhnen und Preisen, müssen wegen der höheren Mindestlöhne etwas tun, sondern gerade auch die, die schon jetzt wesentlich mehr als 8,50 Euro Bruttolohn pro Stunde zahlen.
Klier hat sein Discount-Konzept nicht wegen der Mindestlöhne aufgegeben, sondern weil er dafür immer weniger qualifizierte Mitarbeiter bekommt. Das Problem haben alle Friseurunternehmen mit Mitarbeitern. Im MARKTLÜCKE-Themenmagazin „Löhne und Preise“, habe ich vorgeschlagen, eine Preiserhöhung nur zum Zwecke der Lohnerhöhung durchzuführen. Es gibt dafür eine einfache Faustregel:
Maximal doppelt so viel Lohnerhöhung in Prozent wie die Preiserhöhung in Prozent.
Das geht von einer Lohnkostenbelastung von 50 Prozent aus. Die hat jedes Friseurunternehmen, wenn richtig gerechnet wird mindestens, also einschließlich kalkulatorischem Meisterlohn. Die Rechnung geht aber nur auf, wenn die Kundenzahl konstant bleibt. Und die bleibt nur konstant, wenn die Qualität der Dienstleistung im weitesten Sinne erkennbar für die Kunden steigt.
Klier sagt im Wirtschaftswoche-Interview zur Abschaffung seiner Discount-Schiene folgendes: Das Experiment der Discount-Friseure ist gescheitert…Die rund 170 Salons („Frisör der kleinen Preise“, redaktionelle Anmerkung) werden bis August nach und nach auf die neue Marke „Haarboxx“ umgestellt. Alle Standorte bleiben erhalten, aber das Ladendesign wird sich etwas ändern, um die Wertigkeit stärker herauszustellen.“
Mein Kommentar dazu: Wenn das alles ist, wird es ein Discount-Konzept von Klier mit etwas höheren Preisen bleiben.
Discountpreise für Friseurdienstleistungen sind nicht absolut zu sehen, sondern in Relation zum Preisniveau vergleichbarer Friseurunternehmen. Lesen Sie mal was ich im Internet zu einem Haarboxx-Geschäft in Landshut gefunden habe:
„Haarboxx - Auf die zunehmende Preissensibilität der Verbraucher gibt es mit dem Frisör der kleinen Preise die passende Antwort.
Mit einer preiswerten Alternative zum "normalen" Frisör, die auch den "Nichtfrisörgänger" für sich einnimmt: Alle Dienstleistungen werden zu einem konkurrenzlos günstigen Pauschalpreis angeboten. Kein Dumping, sondern konsequente Verschlankung der Strukturen zugunsten des Prinzips "Höchste Qualität zum niedrigsten Preis". Beispiele: neue Abläufe im Salon, die Eigenleistungen des Kunden besser ermöglichen (zum Beispiel Selberföhnen)“.
Ob das nicht auch Preisdumping ist, kann nur beurteilt werden, wenn die jeweiligen Preise vor Ort bekannt sind. Discount ist und bleibt es auf jeden Fall.
So entpuppt sich die von Klier ausgelöste Berichterstattung als Versuch,die Konkurrenz zu Preiserhöhungen zu bewegen, um das eigene Discount-Konzept auf höherem Niveau fortsetzen zu können.
Dieter Schneider