Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9873 Letzte Aktualisierung: 09.04.2024

Den Friseurmarkt verstehen ...

„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten!“ August Bebel


„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen“
„… und die Zukunft gestalten!“ heißt es im vorgenannten Spruch weiter.

Zu viele Betriebe, zu kleine Gewinne, Personalmangel, es ist so einiges was für Zündstoff in der Branche sorgt. 
Um zu verstehen, was und warum vieles im Friseurhandwerk heute nicht so ist wie wir es uns wünschen, müssen wir 25-30 Jahre zurückgehen. 

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1995 meldete der GfK Jahresbericht: 13,9 Mio. Friseurbesuche weniger als in den Jahren zuvor. 
Ähnlich ging es in den folgenden Jahren weiter. Das Friseurhandwerk verlor Kunden und Umsatz, musste den bisher deutlichsten Umsatzrückgang seit 50 Jahren verkraften. Ein Trend, der sich über Jahre fortsetzte, trotzdem sahen die Friseure keinen Anlass zu Veränderungen. 

Eine bedenkliche Entwicklung, welche den Verbraucherverbandes IKW zu einer Studie veranlasste.
In einer repräsentativen Umfrage wurden zigtausende Bundesbürger über die Zufriedenheit mit ihrem Friseur (besuch) befragt. 
Diese Studie wurde im Jahr 2000 vorgestellt und brachte Bedenkliches ans Licht.

Deutliche Verbraucherkritik im Jahr 2000

  • 69 % der Kunden empfanden den Friseur als zu teuer. 
    Dieses hauptsächlich, weil Preise und Leistungen nicht kommuniziert wurden. Nicht der Preis selbst stand in der Kritik. Es wurde das Fehlen von Preislisten und unklare Preise bemängelt, Kunden forderten Klarheit und Preistransparenz.  
     

59 % der Befragten waren mit dem Frisurenergebnis nicht zufrieden.
Dieses bezog sich hauptsächlich auf das Styling welches als „altbacken und zu steif“ empfunden wurde. (Wenn das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist, ist jeder Preis zu teuer.) Das war der eigentliche Kritikpunkt und das an der Arbeit der Friseure!

Friseur in Aktion 
Als Lösungsansatz wurde die Kampagne „Friseur in Aktion“ gestartet. Alle großen Firmen im Friseurhandwerk, sowie der ZV, waren beteiligt. Die die renommierte Hamburger Werbeagentur Öconomia hatte vorher Tausende Verbraucher befragt, um zu ergründen, welche Frisuren Kunden sich vom Friseur wünschen. Diese Vorschläge wurden auf Postern und für die Kampagne genutzt, stießen hier jedoch auf Ablehnung. 
Zu viele Friseure hielten diese Frisuren für untragbar, am Friseur vorbei, sie ignorierten die Kampagne. 


Boykott der Friseure und keine Veränderung
Mit anderen Worten: bei den meisten Friseuren blieb alles beim Alten, es ändert sich nichts. Einige wenige machten es schlauer, schufen neue Angebote. „Wenn die Kunden mit dem Styling unzufrieden sind, dann bieten wir es doch einfach gar nicht mehr an!“  Ab sofort konnten sich die Kundinnen ihre Haare selbst föhnen. Der (hierdurch) reduzierte Preis lockte viele Verbraucher vom bisherigen Stammfriseur in die neuen Discountbetriebe.

Die „Flucht“ der Kunden zum Discountfriseur
Verstärkt wurde dieser Trend durch eine notwendige, aber nicht kommunizierte Preisangleichung in Verbindung mit der Einführung des Euro. Die allgemeine Preissteigerung lag bei 1%, bei den Friseuren waren es im gleichen Zeitraum 4%. Die Verbraucher, ohnehin durch den Währungswechsel sensibilisiert, reagierten mit stillem Protest und wechselten vermehrt in Richtung Discountfriseur.

So war es nicht verwunderlich, dass die Zahl der Discounter rasant wuchs.

Das bedeutete für den einzelnen Friseursalon weniger Kunden, weniger Umsatz, notgedrungen mussten Mitarbeiter freigestellt werden. In den Jahren 2000-2009 verlor das Friseurhandwerk 22,6 % der Mitarbeiter, was bedeutet, dass geschätzt 45.000 Friseure/innen arbeitslos wurden. (ausgehend von der letzten Handwerkerzählung 1996 mit 256.000 Vollzeitbeschäftigten).  


Fakten für den Zeitraum 2000 bis 2009
19.5% Umsatzverlust führten zu einem Rückgang von
22,6 % bei den Beschäftigten. Zeitgleich drängten
22,5 % neue Salons in den schrumpfenden Markt.

Nebenschauplatz Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
Es war gleichzeitig die Zeit, in welcher die Arbeitslosigkeit in Deutschland stieg und 2005 einen Höchststand von 11,7 Prozent erreichte.
Um junge Menschen in eine berufliche Laufbahn zu bringen, gab es staatliche Förderungen für Ausbildungsplätze. Diese wurden besonders im Friseurhandwerk gerne genutzt. Für manche Salons waren diese jungen Menschen billige Arbeitshilfen. Nach Abschluss der Lehre wurden diese meist direkt „entsorgt“.  

Ein Teufelskreis
wie auch das WELLA EVA Paneel zeigt: beschäftigte ein durchschnittlicher Salon im Jahr 2000 noch 4,7 Mitarbeiter, so waren es im Jahr 2010 nur noch 3,0 Mitarbeiter pro Salon.

395.000 neue „Start Up’s“ die ICH AG‘s
Die schwierige Situation im Arbeitsmarkt wurde mit staatlicher Hilfe in Form von ICH AG‘s bekämpft. Friseurinnen, im Arbeitsmarkt nicht vermittelbar, erhielten günstige Starthilfe und Zuschüsse, wenn sie sich selbstständig machten. 
So entstanden in der Zeit von 2000 bis 2009 rund 395.000 neue kleine Unternehmen.
Die Zahl der Friseursalons in Deutschland stieg von 63.317 im Jahr 2000 auf 77.126 Salons im Jahr 2009.         



Wettbewerbsvorteil: Umsatzsteuerbefreiung
Diese ich AG‘s, Microbetriebe und Solo Unternehmer waren durchweg zu Beginn ihrer Tätigkeit von der Umsatzsteuer befreit, weil sie die damalige Umsatzgrenze von 17.500 € Jahresumsatz nicht überschritten. 

Diese Regelung nach § 19 UStG ist bis heute gültig: wer im vorangegangenen Kalenderjahr die Umsatzgrenze von 17.500 EUR (seit 1.1.2020 = 22.000 EUR) nicht überschritten hat, und im laufenden Jahr voraussichtlich keine Umsätze von 50.000 EUR erzielen wird, ist von der Zahlung zur Umsatzsteuer befreit. 

Ein Gesetz, sehr zum Unmut der Mitbewerber. Kleinstunternehmen können diese 19 % direkt für sich als Plus verbuchen oder als Preisvorteil weitergeben. Eine normale Marktentwicklung ist aufgrund dessen kaum noch möglich.   

Jeder 3.te Salon? Tageseinnahme unter 100.- €uro?

Die Zahl der umsatzsteuerbefreiten Mitbewerber ist inzwischen auf 25% bis 30% der Marktteilnehmer gewachsen. Inzwischen gibt nahezu jeder Dritte Betrieb einen Jahresumsatz von weniger als 22.000 € an. Das sind bei 210 Arbeitstagen Tageseinnahmen von rund 100.- €uro!

Erwachen und von Discountern lernen
Die Rentabilität der Unternehmen sank kontinuierlich, die Kosten stiegen, während sich die Preise nicht dementsprechend nach oben bewegen konnten. So lernte man von den Discountern, Begriffe wie „Zeitfaktor“ und „Arbeits-Effizienz“ wurden notwendigerweise plötzlich diskutiert.

Plötzlich gab es „Umsatz Vorgaben“, viele Mitarbeiter fühlten sich hierdurch unter Druck gesetzt und verloren ihre Motivation. Die Aussage „so etwas gibt es nur im Friseurhandwerk“ gemeint sind die sogenannten Soll- Umsätze, ist allerdings vollkommen daneben! Jede größere Firma hat eine Controlling Abteilung, in welcher sich auch die Rentabilität und Effizienz der Mitarbeiter überprüft wird.

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