Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9873 Letzte Aktualisierung: 24.04.2024

Samantha Schüller

... über eine andere Art von Unternehmertum im Friseurhandwerk.


Lossprechungsfeier 2023 der Düsseldorfer Friseurinnung. Überraschend viele der frischgebackenen Gesellen/ innen waren der Einladung gefolgt und konnten einen Vortrag erleben, der auch mich faszinierte.  Samantha Schüller war es, die von ihrem Werdegang erzählte. 

Nachdem Samantha Schüller 2012 ihre Berufsausbildung als Friseurin abgeschlossen hatte, folgte ein Jahr später die Meisterprüfung und 2014 der Weg in die Selbstständigkeit. Sie merkte selbst, dass sie Gefahr lief, den Weg des Selbst und Ständig zu beschreiten – das wollte sie nicht.  Stattdessen unternahm sie einiges: sie spezialisierte sich als Sozial Media Managerin, puschte ihr Unternehmen in die Öffentlichkeit, vollzog erfolgreich eine Ausbildung zum Coach, und wurde 2021 Mutter. 

Ihren Salon hat sie nicht nur beibehalten, sondern auch deutlich vergrößert. Elf Mitarbeiterrinnen stehen ihr zur Seite oder besser gesagt, „sorgen für finanzielle Unabhängigkeit in einem entspannten und gelassenen Unternehmer Alltag“ wie es auf ihrer Homepage zu lesen ist. 

Samantha selbst steht so gut wie gar nicht mehr im Salon, sondern macht weiterhin Karriere. Das ist eine andere Art von Unternehmertum im Friseurhandwerk. Es gibt also anderes, als nur von morgens bis abends hinter dem Stuhl zu stehen. Nicht nur der Entschluss mit Schule und Coaching einen anderen Weg zu gehen, sondern auch die Entscheidung als Unternehmerin AM Unternehmen, statt IM Unternehmen arbeiten zu wollen, ist entscheidend für ihren Erfolg. 

Noch eines fiel mir auf: Samantha erzählte stolz von Null Fachkräftemangel, in ihrem elfköpfigen Team, welches gutgelaunt im Salon arbeitet und zudem noch gut verdient. Was im Umkehrschluss heißen muss, dass auch gute Umsätze erzielt werden. In der heutigen Zeit ist dies, in vielen Salons, keine Alltäglichkeit mehr und immer öfters erfahre ich von Mitarbeitern, dass sie des Umsatzdrucks wegen am liebsten aus dem Beruf aussteigen möchten. 

Grund genug, Samantha Schüller mit einigen Fragen zu konfrontieren, die sie gerne beantwortete. 

Ich bedanke mich herzlich für diese Möglichkeit und glaube, dass es einige Köpfe im Friseurhandwerk nachdenklich machen wird.

Rene Krombholz

Rene Krombholz

Samantha, wer Sie bei einem Ihrer Vorträge erlebt, entdeckt völlig neue Perspektiven im Friseurhandwerk. Die Jüngeren werden von diesen Möglichkeiten gelockt und begeistern sich dafür. Erstaunen bis hin zum Entsetzen, aber gibt es bei den Älteren, die sich nach solch einem Vortrag fragen: „Was habe ich verkehrt gemacht?" 
Oder haben Sie ein anderes Feedback?

Also Entsetzen habe ich noch nie bewusst wahrgenommen, ehrlich gesagt. Es ist meistens dann doch der ungefragte Impuls der Rechtfertigung von Menschen, die sich getriggert fühlen, obwohl ich nichts bewerte. Ich sage nicht was richtig und was falsch ist, ich gebe nur aus meiner persönlichen Erfahrung nach 10 Jahren Selbständigkeit das weiter, was mich voran bringt und was mich eben auch nicht voran gebracht hat.

Woran liegt es, dass die Mehrheit der Friseurunternehmer heute sehr wohl noch täglich viele Stunden oder 7 Tage in der Woche am Unternehmenserfolg arbeiten? 
Was müssten Ihrer Meinung nach die ersten Schritte sein?

Da liegt ganz allein daran, dass der Unternehmenserfolg nicht am Stuhl und am Kunden selbst erarbeitet wird. Wir legen im Friseurhandwerk den Fokus zu wenig auf das Unternehmertum selbst. Wir Friseur*innen definieren uns als Künstler, Glücklichmacher, Haarhelfer etc., vergessen aber die recht rationale Arbeit eines Unternehmenden, denn der arbeitet mehr AM Unternehmen und nicht IM. Der erste Schritt sollte meiner Meinung nach sein, sich ehrlich die Frage zu stellen: Will ich mehr Friseur*in sein oder Unternehmer/in? Denn das sind zwei unterschiedliche Jobs. Die Entscheidung ist aber wichtig, wenn man seine ersten Mitarbeitenden einstellt, denn für die sollte man halt auch Verantwortung tragen.

Riesenproblem Fachkräftemangel, in Ihrem Salon nicht! Nach eigenen Aussagen finden Sie genügend Mitarbeiter, die Spaß an der Arbeit haben und zudem gut bezahlt werden. 
Was machen Sie anders?

Ich habe mich sehr früh personal gebrandet. Das heißt, seit Social Media und gerade Instagram uns die Möglichkeit schenkt uns zu repräsentieren, habe ich die Menschen in meinen Salonalltag mitgenommen. Ich habe authentisch gezeigt, wer ich bin, was mich ausmacht, was meine Visionen sind und wofür ich stehe. So haben sich Menschen davon angesprochen gefühlt und wollten bei mir arbeiten. Mittlerweile kommen sogar regelmäßige Bewerbungen von Nicht-Friseur*innen , weil sie einfach an meinen Firmen mitwirken möchten. Das ist ein schöner Beweis, dass Menschen für Menschen arbeiten wollen. Dafür muss man halt auch zeigen was für ein Mensch man ist.

Im Moment erleben wir, dass sich trotz zahlloser offener Stellen, die Arbeitslosenzahlen im Friseurhandwerk nach oben bewegen. 
Was läuft hier schief?

Ich sag ja, der fehlende Fokus auf das Unternehmertum So lange Inhaber/innen selbst am Stuhl stehen wollen und damit auch irgendwie ihr bester Angestellter zu sein, wird es schwer werden zu zeigen, was im Handwerk alles so möglich ist. Denn es ist viel möglich, wenn man Zeit und Freiraum hat diese Möglichkeiten auch umzusetzen. Solange man mehr Friseur ist, ist man halt Friseur. Ich stehe seit 3 Jahren selbst nicht mehr am Stuhl. Die Entscheidung war nicht leicht für mich, jedoch notwendig, wenn man sieht, welchen Wachstum ich dadurch generieren und welche Perspektiven ich nicht nur für mich, sondern auch für meine Mitarbeitenden, schaffen konnte.

  • Corona sitzt noch allen in den Knochen, vielfach auch wirtschaftlich. Löhne steigen, andere Kosten explodieren. Umso wichtiger ist es, dass Mitarbeiter ihre Umsatzziele erreichen. 
    Wie kommt diese Forderung bei den Mitarbeitern an?

Welche Forderungen? Ich verstehe bis heute nicht, wieso Unternehmer/innen die Verantwortung für den Umsatz auf ihre Mitarbeitenden abwälzen. Ich finde das auch nicht richtig. Bei mir gibt es keinen Umsatzdruck. Wer ist dafür verantwortlich, dass mein Unternehmen gut läuft? Ich. Wer ist dafür verantwortlich, dass meine Mitarbeitenden die Expertise an den Kunden bringen in der Zeit, die ich dafür kalkuliert habe? Ich. Wer ist dafür verantwortlich Mitarbeitende einzustellen und einzuarbeiten die zu meinem Konzept passen? Ich. Viele Unternehmenden stehlen sich so vor der Verantwortung. Denn alles, was im Unternehmen selbst nicht gut läuft, ist die Schuld der Führungskraft.

  • Es gibt Mitarbeiter, die behaupten in anderen Branchen / Berufen gibt es keine Leistungsvorgaben, und sind sofort frustriert, wenn Leistungen nicht erreicht und dann eingefordert werden. 
    Wie verfahren Sie in solchen Fällen?

Am Ende leben wir alle in einem kapitalistischen System, in dem es nun mal um Leistung geht. Die Frage ist, ob man im Unternehmen einfach nur Leistungsdruck aufbaut und/oder ob Mitarbeitenden auch wirklich an die Leistungen geführt werden, die sie erbringen müssen. Wir übersehen die Verantwortung der Führungskraft. Jedes Individuum muss in einem Unternehmen geführt werden. Und ich denke die große Devise ist dabei, keinen großen Druck auf die Mitarbeitenden auszuüben. Es ist aber, wie schon erwähnt, sehr schwer Mitarbeitenden zu führen, wenn man selbst den ganzen Tag am Stuhl steht um zu arbeiten und nicht mal Zeit hat sich selbst zu führen.

  • Welchen Rat geben Sie Ihren Kollegen/innen, die sich in der Zwickmühle zwischen wirtschaftlicher Enge und mehr oder weniger Frust bei ihren Mitarbeitern sehen?
    Ist das Ganze ein wirtschaftliches, kaufmännisches oder mentales Problem?

Es ist kein Problem, sondern die Frage nach der Konsequenz. Die Schuld trägt man immer erst mal selbst. Zu einfach ist es doch zu sagen, dass die Wirtschaft, die Inflation, Corona... Schuld an der eigenen Situation ist. Als Unternehmender hat man jedoch alle Mittel und Wege an der Hand, die eigene Situation ändern zu können. Und da gibt es drei ganz einfache Fragen? Was will ich? Wer bin ich? Was kann ich dafür tun? Und daraufhin folgen nur noch Konsequenzen und Entscheidungen für einen Weg, den man gewählt hat.

 

 

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