Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9873 Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

Doris Ortlieb

Während der Haare 2015 zeigte der Landes-Innungsverband Bayern eindrucksvoll, was so ein Verband zu leisten vermag.


Die Innungen und Verbände in Bayern melden zwar auch sinkende Mitgliederzahlen, haben aber dennoch eine andere Position als andere Bundesländer.

Rene Krombholz nutzte die Gunst der Stunde und stellte der Geschäftsführerin des LIV Bayern, Frau Doris Ortlieb, einige Fragen.

Frau Ortlieb, seit 15 Jahren machen Sie hervorragende Arbeit zum Wohle des Friseurhandwerks und den hier tätigen Menschen.
Gute, vorzeigbare Tariflöhne oder auch die Bekämpfung der Schwarzarbeit… spielt der LIV Bayern eine Art Vorreiterrolle für das deutsche Friseurhandwerk?

Das bayerische Friseurhandwerk schaut in der Tarifpolitik auf eine fast siebzigjährige Tradition zurück. Damals wurde der erste Entgelt-Tarifvertrag zwischen dem bayerischen Landesinnungsverband und der ÖTV geschlossen. 1990 gelang es dann nach einigen Schwierigkeiten zum ersten Mal, den Entgelt-Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt zu bekommen. Unser Erfolgsgeheimnis liegt also einfach in einer kontinuierlichen Entwicklung in der Tarifpolitik.
Bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit konzentrieren wir uns derzeit auf die Zusammenarbeit mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS). Mit dem allgemeinverbindlichen Entgelt-Tarifvertrag liefern wir der FKS die notwendige Voraussetzung, um gegen Lohndumping und das damit verbundene Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen vorzugehen.

Schwarzarbeit hat allerdings viele Gesichter, nicht nur das Lohndumping. Für andere Formen braucht es andere Instrumente. Daher werden wir schrittweise auch die Zusammenarbeit mit dem Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung und den Finanzbehörden intensivieren.

Es kommt übrigens nicht darauf an, wer im Verbandswesen eine Vorreiterrolle spielt. Innungen und Verbände haben einen Gebietsschutz und stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Wir müssen Aktionen und Maßnahmen, die sich in einer Region als erfolgreich erwiesen haben, auf andere übertragen. In diesem Sinne arbeiten die Landesinnungsverbände in Deutschland eng und vertrauensvoll zusammen.

Warum schafft es der LIV Bayern Dinge umzusetzen die sich Friseure zwar wünschen, aber in anderen Bundesländern eher nicht erfüllbar erscheinen?

Viele Wünsche werden alleine deswegen nicht erfüllt, weil sie nicht artikuliert oder nicht an die richtige Adresse gerichtet werden. Durch die Bezirksvertreter im bayerischen Vorstand, die Bezirksversammlungen und neuerdings die Regionalkonferenzen schaffen wir viele Möglichkeiten, damit die Basis ihre Wünsche an uns richten kann. Auch außerhalb dieser Veranstaltungen zeichnen Ehren- und Hauptamt bei uns wie ein Seismograph auf, was die Branche bewegt. Wenn dann Vorstand und Mitgliederversammlung beschließen, ein Thema anzupacken, kann es an die Umsetzung gehen.

Dass wir Dinge gut umsetzen können, liegt nicht zuletzt an einem ausgewogenen Verhältnis von Kontinuität und Erneuerung in unserem Verband. Kontinuität ist zum Aufbau von Netzwerken notwendig, Erneuerung bringt frischen Wind und neue Ideen in die Verbandsarbeit. Im LIV-Vorstand haben wir Mitglieder, die erst vor 1,5 oder 4,5 Jahren in dieses Gremium gewählt wurden, während unser stellvertretender Landesinnungsmeister dem Vorstand seit 22 Jahren angehört. Wenn dann noch jeder die Aufgabe übernimmt, die er am besten kann, ist der Erfolg fast vorprogrammiert.

Was wünschen Sie sich für die nähere Zukunft - von der Industrie

Ich würde es begrüßen, wenn sich die Industrie geschlossen hinter die Arbeit des Zentralverbandes stellen und diesen unterstützen würde. Vor einigen Jahren ist die Idee einer gemeinsamen Nachwuchswerbekampagne an den Einzelinteressen der Firmen und möglicherweise auch gegenseitigem Misstrauen gescheitert. Einzelne, die damals am Tisch saßen, haben aus den gesammelten Ideen tolle Kampagnen für sich entwickelt. Zum großen, gemeinsamen Wurf für die Branche war man aber nicht bereit. Das KFZ-Gewerbe beispielsweise macht seit Jahrzehnten hervorragende Nachwuchsarbeit. Dort wird das Handwerk aber auch von Handel und Industrie unterstützt.

Auch für die politische und fachliche Arbeit fallen mir nachahmenswerte Beispiele ein. Regelmäßige parlamentarische Abende und politische Empfänge auf Landes- und Bundesebene sind in anderen Handwerkszweigen mit Unterstützung von Großhandel, Zulieferern und Industrie an der Tagesordnung. Und beim Programm eines bayerischen Schreinertages, der maßgeblich von Zulieferern und Industrie finanziert wird, werde ich regelmäßig blass vor Neid. Da kann sich die Friseurbranche noch eine Scheibe abschneiden.

Was wünschen Sie sich für die nähere Zukunft vom Zentralverband

Der bayerische Landesinnungsverband ist Teil des Zentralverbandes. Wenn ich als bayerische Geschäftsführerin Wünsche in Richtung Zentralverband äußere, ist das also ein Stück weit immer der Griff an die eigene Nase. Ich weiß, dass wir auf allen Ebenen der Innungs- und Verbandsorganisation - Ausnahmen bestätigen die Regel - hervorragende Arbeit leisten. Die künftige Herausforderung liegt für mich darin, diese Arbeit besser zu kommunizieren, intern zu den Mitgliedern aber auch in der Fach- und Gesamtöffentlichkeit. Außerdem müssen wir unsere Kräfte stärker bündeln und Routinen für die Zusammenarbeit entwickeln.

Was wünschen Sie sich für die nähere Zukunft von den Friseuren selber?

Von den Nichtinnungsmitgliedern wünsche ich mir, dass sie sich ihrer Innung anschließen. Die Innungs- und darauf aufbauende Verbandsorganisation ist die einzige Interessenvertretung der selbstständigen Friseurunternehmer. Wir brauchen eine starke Basis, nach Mitgliederzahl aber auch finanziell, um unsere Forderungen durchsetzen zu können.

Von den Innungsbetrieben wünsche ich mir, dass sie Innung und Verband noch mehr fordern und ihre Wünsche äußern. Lebendige und erfolgreiche Innungsarbeit erfordert allerdings auch, dass sich die Mitglieder aktiv einbringen. Wenn viele mitarbeiten, wird der einzelne nicht übermäßig belastet und die Vielfalt führt auch zu besseren Ergebnissen.

Herzlichen Dank für Ihre Antworten und weiterhin viel Erfolg!

 

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