Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9873 Letzte Aktualisierung: 24.04.2024

Bastian Schaefer und Stefan Dax

zur Situation und den Aussichten des Friseurhandwerks in diesen Krisenzeiten


„Wer einen Berater braucht, hat selbst keine Ahnung!“ - diesen abwertenden Kommentar entnahm ich kürzlich einem Facebook Friseur-Forum. 

Das ist aber nicht richtig, denn selbst große Firmen oder unsere Regierung, sie haben alle Berater und große Sportvereine ihre Trainer. Schließlich kann man nicht alles wissen und nicht alles übersehen, was auch für Friseurunternehmer gilt. Dazu sind die Ansprüche heute zu groß, Führungspersönlichkeit, Finanzexperte, Werbefachmann, Teamcoach… und dann noch erfolgreicher Friseur - all das in einer Person? Das kann und wird nicht funktionieren. 
Wer klug ist, nimmt sich Experten an die Hand.

Schaefer & Partner aus dem fränkischen Oberdachstetten ist die größte deutschsprachige Unternehmensberatung für das Friseurhandwerk. Zu den Mandanten zählen sorgenbeladene Salons ebenso wie renommierte Top-Salons, die sich hier coachen und beraten lassen. 
Bei diesem Branchen-Querschnitt ein guter Grund, einmal nachzufragen.

So fragten wir Bastian Schaefer, Geschäftsführer der Schaefer Academy & der Marke Miée, Teilhaber der Schaefer Graphics sowie Referent und Academy-Trainer für das Seminar „Beratung & Kommunikation 1“ sowie seinen Geschäftspartner Stefan Dax, Teilhaber Schaefer & Partner, Unternehmensberater (BWL-Studium mit Schwerpunkt Investition und Finanzierung), Referent und Academy-Trainer für die Seminare „Chefseminar I+II“.

Der Friseurmarkt steht im Moment in einem totalen Umbruch mit vollkommener Verunsicherung der meisten Marktteilnehmer. Selbst alteingesessene und gutgehende Salons wollen schließen. Nur wenige Salons gibt es noch, die sorgenfrei und konstant ihren Weg gehen. 
 

1) Was passiert hier gerade? Erleben wir ein langes langsames Sterben des Friseurhandwerks, einen Umbruch oder ein gesundes Schrumpfen?

Wir denken nicht das es sich hier um ein langsames Sterben des Friseurhandwerks handelt. Vielmehr verändern sich einige Marktparameter. Hier gilt es, sich möglichst schnell anzupassen. Diejenigen Marktteilnehmer die sich die letzten Jahre weniger bewegt haben sind dadurch natürlich umso mehr unter Druck. Veränderungen sind stetiger Bestandteil unseres (Unternehmer-)-lebens. 

Branchendaten von Banken sehen in den vergangenen 5 Jahren zwar einen Umsatzrückgang von durchschnittlich 2,3 %, sie prognostizieren aber auch für die kommenden 5 Jahre ein Wachstum von 1,5 %. Natürlich ist dieser Gesamtmarkt stark differenziert (man denke an die Kleinstbetriebe) und umkämpft mit einem hohen Konkurrenzdruck. Der Umsatz in diesem Markt wird wachsen, die Zahl der im Markt tätigen Friseure wird aufgrund des Fachkräftemangels sinken, allein daraus ergibt sich die zwangsweise höhere Produktivität und Auslastung des Einzelnen. Von daher wird die jetzige Situation die Ausgangslage für viele positive Veränderungen in der Branche darstellen. 

2) Sinn eines jeden Unternehmens ist es, Gewinne zu erwirtschaften. Bei rasant steigenden Kosten ein schwieriger Prozess. Wie geht es denen, von Ihnen betreuten Salons, in dieser Hinsicht? 

 Ein Unternehmen besteht immer aus dem inhaltlichen/fachlichen und dem kaufmännischen Teil. Bei den meisten von uns betreuten Salons ist das Thema Gewinn eben kein Thema. Wir stellen im Gegenteil steigende Gewinne seit Corona fest.

3) Der notwendige Umsatz ergibt sich immer aus Preis mal Kundenzahl. Wobei noch zu berücksichtigen ist, dass die Kundenfrequenz sinkt, die Besuche hinausgezögert werden.  Was raten Sie Ihren Mandanten hinsichtlich Preise und Preisangleichung? 

Ein Unternehmen muss ganz sicher kalkulieren. Wer das nicht tut und sich nur am Preis der Mitbewerber orientiert, der soll und darf auch gerne scheitern. Genau hier beginnt der kaufmännische Teil des Unternehmens. Und bezüglich Kundenzahl wird oft blind Werbung gemacht, ohne vorher das notwendige Marketing durchzuführen. Allgemein gilt, dass es in den meisten Fällen ein Leichtes ist, die Kundenzahlen zu erhöhen. Ich muss nur wissen, welche Hebel in Gang zu bringen sind. Beispielweise muss ich die Fragen beantworten können: Habe ich genügend Neukunden? Bleiben die Neukunden oder sind diese nach dem ersten Date wieder weggeblieben? Wie oft kommen meine Stammkunden pro Jahr? Wie viele meiner Stammkunden kommen nicht mehr und sind jetzt bei einem anderen Friseur? 

Diese und noch einige weitere Fragen muss ein Unternehmer beantworten können, bevor überhaupt an die richtigen Maßnahmen denken ist. Preis und Kundenzahl steht natürlich in direktem Zusammenhang! Wenn ich wenig gut ausgelastet bin, dann muss ich auch höhere Preise nehmen. Dann kommen meist auch weniger Kunden! Schlussendlich stellt sich jeder Verbraucher die Frage, ob er bereit ist, den Preis zu zahlen. Die Frage, ob es den Preis wert ist, beantwortet sich der Verbraucher über die ihm zuteil gewordene Leistung, und zwar im menschlichen, beraterischen als auch organisatorischen und fachlichen Bereich

4) Vielfach wird behauptet, dass es demnächst nur noch hochpreisige oder Salons im Niedrigpreissegment geben wird. Folge einer Kundenentscheidung: die Einen können sich den Friseur noch leisten, die Anderen nicht. Teilen Sie diese Meinung?

Dies ist eine sehr einseitige Betrachtung. Diese Meinung teilen wir auch in keiner Weise. Es gibt nicht nur schwarz und weiß – es gibt auch alle Grautöne. Schon immer hat es Menschen und Konsumenten gegeben, die sich den Friseur überhaupt nicht leisten konnten. Die waren bisher nicht Kunden im Salon und werden es auch zukünftig nicht sein. Es wird aber auch immer die Menschen geben, die sich den Friseur leisten können. Und diese Menschen haben auch unterschiedliche Einkommen. Die Konsumenten die vorher schon einen günstigeren Friseur gewählt haben werden dies auch in Zukunft tun. Das sich hier dann die Frage der Besuchsfrequenzen als auch die Frage ob der Menge der konsumierten Dienstleistungen stellt steht auf einem anderen Blatt

5) Wir hören in diesem Zusammenhang immer wieder den Begriff „Dienstleistungsqualität anheben“. Dieses in Anbetracht der Tatsache, dass alle Friseure behaupten, gute Arbeit zu leisten. Fakt ist auch: man kann das Rad nicht neu erfinden, verbunden mit der Frage: welche Qualitätsunterschiede merkt die Kunden wirklich?

Wir haben vier Qualitätsmerkmale, welche Kunden – egal in welcher Branche – immer wieder in Betracht ziehen. Wir nehmen mal das Beispiel Qualitätsbeurteilung eines Steuerberaters aus Friseurunternehmersicht: Was beurteilen wir?

  1. Die fachliche Leistung: Wieviel Steuern muss ich bezahlen? Habe ich Probleme mit dem Finanzamt oder läuft alles gut? All diese Fragen. Aber kann ich wirklich sicher sein, dass ich wirklich gut beraten wurde? Nein – sonst müsste ich ja alles über Steuern wissen. Wir vertrauen darauf? Wie kommt aber dieses Vertrauen zustande?
  2. Dies ist das 2 Kriterium: Die Gespräche und die Beratung an sich sind der ausschlaggebende Faktor. 
  3. Ein weiterer Punkt, den wir als Kunde betrachten, ist die organisatorische Leistung. Werden die Termine eingehalten, werden die Absprachen eingehalten usw. Also ein Thema Zuverlässigkeit. 
  4. Und der wichtigste Punkt: Ist mir der Gegenüber sympathisch. Die menschliche Leistung ist bei einer Beurteilung besonders wichtig. 

Dies ist beim Steuerberater so, beim Arzt, beim Handwerker, beim Autohaus, beim Einkaufen und allen anderen Konsumfragen - auch beim Friseur. Wie das einzelne Unternehmen in den jeweiligen Punkten abschneidet, zeigt eine Befragung der eigenen Kunden. Es lässt sich also daraus schließen, dass man das Rad nicht neu erfinden muss. Es wäre schon viel erreicht, wenn wir uns bewusst machen, weshalb Kunden sich für unseren Salon entscheiden und was dies in der Folge für uns bedeutet. 

Wir befinden uns in einem Wettbewerb um Menschen. Diese möchten im Mittelpunkt stehen und wahrgenommen werden. Es geht hier nicht darum die Qualität der Dienstleistungen um die letzten 5 % zu verbessern. Es geht vielmehr darum dem Menschen ehrliche Aufmerksamkeit zu schenken. Ihn ausführlich zu beraten und ihm mit gutem Service zu überzeugen. 

6) Wenn wir von Beratung sprechen, dann wissen wir auch, dass Beratung beim Friseur ein großer Kritikpunkt der Kunden ist. Über 90% Prozent der Verbraucher wünschen sich beim Friseur eine bessere Beratung – konträr dazu behaupten nahezu 100 % aller Friseure gut und perfekt zu beraten. Woher kommt diese Diskrepanz?

Die Diskrepanz kommt auf Grund der unterschiedlichen Wahrnehmung von Stylist und der Wahrnehmung des Gastes. Wie definiere ich eine „gute Beratung“? Allem Anschein nach wünschen sich viele der Konsumenten mehr, als das was sie von ihren Stylisten erhalten. Dies spiegelt sie dann auch vielfach in den Zahlen wider. Egal, ob im Dienstleistungsfaktor oder auch dem Verkauf ist hier bei vielen noch unwahrscheinlich viel ungenutztes Potential.

Beratung beginnt mit Erlebbarkeit! Wenn ich als Kunde zwar gefragt werde, was ich mir wünsche und dies der Friseur dann perfekt umsetzt, so stellt dies keine Beratung dar. Der Friseur, der so handelt ist Versorgungsfriseur! Beratung muss Spaß machen - und zwar dem Friseur und dem Kunden. 

7) Nicht wenigen Friseurunternehmer steht jetzt das Wasser bis zum Hals. Erst Corona und Lockdowns, die Rückzahlung der Soforthilfen steht im Raum Die Kostenexplosion ist ebenso Fakt wie deutlich steigende Löhne und Fachkräftemangel. Das Geld geht aus. Selbst Weiterbildung fällt dem Rotstift zum Opfer, Hilfe durch eine Unternehmensberatung wird Illusion? 

Zu uns kommen Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen. Einerseits die, die wachsen wollen, andererseits die, die einen externen Blickwinkel wünschen und daraus ebenfalls meist ein Wachstum wünschen und andererseits die, die Sie beschrieben haben. Wenig oder zu wenig Geld macht Wachstum zwingend erforderlich. Allen ist eines gemeinsam: Sie wollen! Dieses Wollen ist unbedingte Voraussetzung, damit eine Zusammenarbeit klappt. Ist diese gegeben, stellen wir in einem ersten Gespräch die groben Umrisse auf und prüfen, ob und inwieweit wir tatsächlich etwas beitragen können. Wir haben bisher nur wenige Fälle abgelehnt – das waren dann auch die, die zwar ja sagten aber nein meinten. Das waren die, die schon alles wussten und machten und die auch einen Grund wussten, warum Maßnahmen keinen Erfolg haben. Es sind die Unternehmen, die schon länger in Schieflage sind und den Grund immer bei ihrer Umwelt finden. Grundsätzlich gilt, dass Umwelt zwar die Situation beeinflusst, jedoch nur zu einem Bruchteil. Der viel größere Anteil liegt im Unternehmen. Wir können den Weg zu einer erfolgreichen Zukunft für unsere Mandanten zwar nicht gehen, aber wir können den Weg sehr genau für sie skizzieren und sie bei jedem Schritt begleiten.

8) Eine spannende Zeit mit vielen Veränderungen. Wie sehen Sie die Zukunft?

Grundsätzlich sehen wir die Zukunft unserer Branche durchaus positiv. Die jetzige Situation wird zu einem bestimmten Grad zu einer Bereinigung der Branche beitragen. Die kaufmännische Seite rückt gezwungenen Maßen wieder mehr in den Fokus, was unserer Branche nur helfen kann. Qualität und Konstanz werden sich letztlich durchsetzen, so dass die Branche an sich gestärkt aus den anstehenden Veränderungen hervor gehen wird.  Die Zukunft gehört den Menschen und Unternehmen, die mit Leidenschaft den kaufmännischen und den technischen Part für Ihr Unternehmen belegen. Er gehört den Menschen, die wissen, dass sich Erfolg nur dann dauerhaft einstellt, wenn beide Parts Berücksichtigung finden. Die Zukunft wird uns auch zeigen, dass es ein Mannschaftssport ist, ein Unternehmen zu leiten und die Mannschaftsleistung zählt. Dies ist ähnlich wie in einer Sportmannschaft. Habe ich nur einen einzigen motivierten und guten Spieler, so wird diese Mannschaft nicht dauerhaft siegen. 

 

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