Der Silent Cut ist plötzlich in aller Munde. Die Deutsche Presseagentur hat das Thema aufgegriffen, folglich finden sich entsprechende Schlagzeilen in allen großen Zeitungen.
Ein Haarschnitt – ohne Gespräch – Unterhaltung. Ein neues Angebot im Friseurmarkt. Mich hat diese Nachricht erschrocken, beim weiteren Nachdenken entsetzt.
Meine Zeit der Ausbildung im Friseurberuf ist zwar lange her, aber sie war fundamentiert, sinnhaft und der Friseurberuf hatte eine noch ganz andere Wertigkeit in unserer Gesellschaft.
Was wir in der Berufsschule zuerst lernten war:
• Der Friseurberuf zählt zu den sozialen Berufen.
• Mit unserer Tätigkeit am Äußeren des Menschen nehmen wir Einfluss auf sein Inneres Wohlbefinden. Wir verschönern Menschen und optimieren deren Erscheinungsbild. Unsere Tätigkeit obliegt einer großen Verantwortung.
Auch heute noch, Jahrzehnte später, stehen für mich die Menschen im Mittelpunkt unseres Schaffens. Meine Unternehmensphilosophie ist den Menschen zugewandt.
Silent Cut – meine Gedanken sprangen ziemlich schnell zu dem Film
Soylent Green - Untertitel: 2022 ... die überleben wollen
Vor 50 Jahren kam ein Science-Fiction-Film in die Kinos, der bis heute eine beklemmende Wirkung entfaltet. Der Film spielt im Jahr 2022, der Zustand der Erde ist besorgniserregend. Der Planet ist durch Umweltverschmutzung, Waldsterben und gigantische Überbevölkerung nahezu vollständig zerstört. Viele Menschen nehmen die staatlich subventionierte Möglichkeit der Euthanasie in Anspruch. Auf dem Sterbebett erleben sie einen buchstäblich „schönen Tod“. Bevor sich ihre Augen für immer schließen, werden den Sterbenden auf der Leinwand Bilder der längst verloren gegangenen Natur gezeigt.
Die Versorgung der Erdenbevölkerung mit Nahrung wird überwiegend durch das Monopolunternehmen Soylent gesichert. Das Nahrungsmittel Soylent Green, angeblich mit Plankton aus dem Meer hergestellt, entpuppt sich als synthetischen Nahrung aus menschlichen Leichen.
„Das kapitalistische System frisst sich selbst“ – so die plakative Lesart der zugehörigen Dokumentation.
Warum dieser Vergleich?
Schon die Geschehnisse zur Jahrtausendwende, die Entstehung der Discount-, und Billigfriseure war mir suspekt. Geschäftskonzepte, die bei aller Notwendigkeit zum wirtschaftlichen Erfolg, den Kommerz an erste Stelle stellen, Angebote die zu Gunsten des Preises qualitativ reduziert sind oder Arbeitsbedingungen unter denen Menschen leiden…. !?
Genau das gefällt mir nicht, darum habe ich die Wertegemeinschaft „Der faire Salon“ ins Leben gerufen.
Das bedeutet für mich eine Abkehr vom Miteinander, ein Abwenden vom Menschen hin zum Kapital. Ich finde es ebenso entsetzlich, wenn 1.000 Menschen auf die Straße gesetzt werden und die Börsenkurse sofort steigen.
Was soll solch ein Silent Cut?
Ist es die Weiterentwicklung der von manchen Discountern verlangten „Schnell-Schnitt-Technik um noch schneller und effizienter arbeiten zu können?
Ist es eine Voraussetzung um Mitarbeiter zu generieren die der deutschen Sprache nicht mächtig sind? Der Fachkräftemangel lässt grüßen….
Mein Geschäftsprinzip folgt dem Kodex für das Friseurhandwerk in Europa und dem WIN-Prinzip.
Wir wollen Menschen typ-optimierend gestalten, damit sie sich wohl fühlen und ihr Selbstwertgefühl steigt.
Den Typ des Menschen erkenne ich aber hauptsächlich im Gespräch.
Gespräche ermöglichen es Kunden an mich zu binden, gemeinsame Interessen, Gemeinsamkeiten plus gute Behandlung, … es sei denn ich arbeite im Discountbereich, wo Kundenbindung kaum eine Rolle spielt. Abgesehen von vielen Menschen, die alleine leben, für die das Gespräch beim Friseur eine geliebte Abwechslung darstellt.
Natürlich mag es Kunden geben, die beim Friseurbesuch abschalten und ihre Ruhe haben wollen.
Jede/r Friseurin wird das sofort spüren und diesem Wunsch problemlos nachkommen.
So wird es auch in unserem Salon praktiziert. Und wenn einen Platz weiter eine auditiv veranlagte Kundin sitzt, das wird eine räumliche Trennung realisiert.
Silent Cut - wenn man so etwas anbieten möchte, dann sollte man das mit Stil machen und dem Kunden / der Kundin zugewandt bleiben.
Dazu braucht es dann eine Extrakabine oder ein separater Behandlungsplatz in einer ruhigen Zone, dazu vielleicht ein Duftaroma mit Wellness Charakter, ein schönes Ambiente….
Alles andere gehört für mich dorthin, wo Haare abgeschnitten werden um schnelles Geld zu machen und der Kommerz, nicht mehr der Mensch im Mittelpunkt steht.
Darum der Gedankensprung zu Soylent Green – man möge es mir verzeihen.
Ob solche Konzepte allerdings nachhaltig und langfristig erfolgreich sind, das wage ich allerdings zu bezweifeln.
In einer Zeit, in welcher Menschen vereinsamen, mehr elektronisch als verbal kommuniziert wird, die Gesellschaft kühler und rauer und anonymer wird, … sollten wir da nicht lieber
aufeinander zugehen, uns unserem Gegenüber zuwenden? Es liegt doch in unserer Macht wie wir unseren Alltag, unsere Welt gestalten… und unseren Friseurberuf auch!
Nicht mit abgespeckten Preisen und Leistungen oder durch Schweigen machen wir die Menschen glücklich….. wohl aber durch Verstehen, Entgegenkommen und liebe Worte.
Rene Krombholz