Der Zorn ist ebenso spürbar wie berechtigt. Sogenannte Soforthilfen die keineswegs sofort, manchmal auch gar nicht kommen. Hilfen, die alles andere als schnell und unbürokratisch sind, teilweise auch die Falschen begünstigen.
So wie bei Friseurunternehmerin M. Vor dem zweiten Lockdown trommelte Sie Ihr Team zusammen, schuf zusätzliche Öffnungszeiten und schuftete bis in die späte Nacht. Jetzt muss sie feststellen: Unternehmenshilfe steht ihr nicht zu - dazu hätte sie wenigstens 30 % Umsatzverlust haben müssen. Mit ihrem überdurchschnittlichen Einsatz hat sie jetzt wenige Hundert €uro zu viel in der Abrechnung und fällt durchs Raster.
Ein ihr bekannter Politiker, den sie deswegen anspricht, sieht das positiv: „dann hast Du ja auch gut verdient!“ Nein, Fehlanzeige! Einnahme ist nicht Gewinn!! Diese Einnahmen haben nicht einmal gereicht, um die Kosten zu 100 % zu decken geschweige denn, ein paar Euros für den Lebensunterhalt abzuzweigen. So wie ihr geht es vielen Friseuren, aber auch anderen Dienstleistern und Unternehmern.
Wer allerdings die Hände untätig in den Schoß legte oder gar seine schwarzen Kassen füllte, der darf jetzt Einnahme plus Schwarzgeld behalten und bekommt noch Unterstützung obendrauf.
(Anmerkung: diese Kriterien entsprechen dem Stand vom heutigen Tage, Änderungen wären ebenso erwünscht wie notwendig)
Eine Situation gegen welche ich, als Initiator der Wertegemeinschaft für das Friseurhandwerk „Der faire Salon“ energisch protestiere. Es kann nicht sein, dass Untätigkeit und Fehlverhalten belohnt, Fleiß und Ehrlichkeit hingegen bestraft werden.
Darüber hinaus bin ich mit meiner Wertegemeinschaft Mitglied im Wirtschaftsbund HANSE e.V. Ein internationales Netzwerk, welches traditionelle Werte wie Redlichkeit, Verlässlichkeit und Fairness als Grundlage für ein modernes Geschäftsleben ansieht.
Von der Politik erwarte ich neue Denkansätze.
Es ist so: wir sind langsam, aber sicher, in einer Sackgasse angekommen. Das zeigt sich in der Entwicklung, die wir aus der Vergangenheit ins Heute beobachten können.
Vor 20 Jahren wurde das Rabattgesetz (maximal möglicher Rabatt waren damals 3 %) auf Bestreben von Wirtschaft und Lobbyisten ersatzlos gestrichen. „Die Bevormundung des Verbrauchers ist nicht mehr zeitgemäß“, so die Aussage. Birgit Roth von der SPD versprach, dass die Regierung gegensteuern werde, sollte es wider Erwarten zu Benachteiligungen kommen.
Heute erleben wir, dass der ehrliche Kaufmann der vernünftig kalkuliert, als Halsabschneider oder gar Betrüger angesehen wird. 70 % Rabatt und auch mehr, das ist heutige Normalität, egal wie sie zu Stande kommen. Dieses Szenario hat etwas von „Brot und Spiele“ aus dem alten Rom - meiner Meinung nach, macht es die Menschen nicht glücklich, sondern fördert deren Gier.
Nicht zu vergessen: Billigpreise, um solche geht es bei solchen Rabatten, werden ausschließlich durch Verzicht in Qualität, Leistung, Lohn der Schaffenden oder kalkulierte Mondpreise erreicht. „Geiz ist geil“ wurde das Schlagwort zur Jahrtausendwende - Geiz hat aber nichts mit Sparsamkeit zu tun, es ist eine unrühmliche Eigenschaft, die den Menschen als positiv verkauft wurde, dabei nur den puren Egoismus fördert.
Egoismus und Nazismus sind gesellschaftsfähig geworden. Gerade in diesen Zeiten erleben wir deutlich mehr schmerzhaftes Gegeneinander als konstruktives Miteinander. Auch resultierend aus der Abschaffung von Wertevermittlung jeglicher Art in Schulen und Erziehung.
Demokratie und Freiheit sind kostbare Güter, brauchen aber die Verantwortung des Einzelnen wenn die soziale Sicherheit gewährleistet sein soll. Diese Verantwortung ergibt sich aus Werten, Orientierungspunkten, ethischen Denk und Handlungsweisen und führen uns dort wo sie fehlen, in eine Sackgasse. Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, der Handschlag als Vertragsgrundlage, dafür stand die Hanse im Mittelalter. Daraus entstand der Begriff des ehrenwerten Kaufmanns, daraus resultierte eine für die Menschen positive Entwicklung.
Heute verdienen sich die Globalplayer der Wirtschaft online – trotz Lockdown eine goldene Nase, Tendenz steigend. Das Allgemeinwohl in unserem Land ist Denen buchstäblich keinen Cent wert. Sie verdienen Milliarden, entrichten kaum Steuern …. während unser Mittelstand ausblutet. Fachleute schätzen eine Summe von 1.000 Milliarden Euro, die jährlich in Europa durch „Steuervermeidung“ am Staat vorbei und der Gesellschaft verloren gehen.
Laut Medienberichten werden Mc Donalds, Burgerking, Starbucks 75 % ihres Umsatzes von November 2019 erstattet, obwohl ihre Geschäfte weiter laufen oder teileweise gar keine Steuern bezahlt wurden.
Eine unglaubliche Menge Kapital - die richtige Stelle, um daran zu erinnern, dass Forschung und Wissenschaft seit gut 20 Jahren vor einer Pandemie gewarnt und finanzielle Unterstützung zur Erforschung von Gegenmittel gefordert haben.
Die Kassen waren so gut wie immer leer, keine Gelder zur Verfügung und so standen wir 2020 hilf- und wehrlos vor dem sich verbreitenden Virus. Wir erkennen heute, dass wir den digitalen Wandel verschlafen haben, stehen vor maroden Schulen, kaputtgesparten und nicht funktionierenden Einrichtungen.
Auch wenn es uns noch besser gehen mag als vielen Menschen in unseren Nachbarländern, ist das ein schwacher Trost. Nur mit einer neuen Gesinnung, sozialer Ausgeglichenheit, mit Ehrlichkeit und Fairness erreichen wir einen guten Zusammenhalt in der Gesellschaft, den wir für unsere Zukunft wünschen und brauchen.
Rene Krombholz
Friseurunternehmer und Fachautor
Initiator der Wertegemeinschaft "Der faire Salon"
Vorstandsmitglied der Friseurinnung Düsseldorf
Betreiber www.friseur-news.de