Aus dem ehemals anerkannten Friseurhandwerk ist eine vielschichtige und zersplitterte Branche geworden. Szenesalons, Luxusfriseure, Discounter aber auch zahllose Einzelkämpfer, Billigfriseure und Familienbetriebe tummeln sich im Markt.
Ein aus Verbrauchersicht unübersichtliches Angebot. Überangebot besser gesagt: kaum ein Salon verzeichnet noch genügend Kunden, um wirtschaftlich einigermaßen erfolgreich über die Runden zu kommen. Die Zahl der Betriebe hat drastisch zugenommen. 25.000 Kleinstunternehmen mit Umsatz unter 1.450,- € pro Monat sprechen für sich und geben Anlass zum Nachdenken, auch in Richtung Steuerehrlichkeit….!
Kaum sind die Diskussionen um Lohndumping im Friseurhandwerk abgeklungen, schrecken neue Meldungen auf. Selbstständige Friseure die vielfach ein Einkommen unterhalb des (jetzt gesetzlichen) Mindestlohns erwirtschaften, Arbeitsplätze in Gefahr, aber auch Nachrichten über unschöne Vorkommnisse in den Salons nagen erneut am Image.
Viele Probleme sind hausgemacht.
Spätestens wenn wir erfahren, das gewisse Discounter Ihre Mitarbeiter im „Schnellschnitt“ schulen, Ziel drei Haarschnitte pro Stunde und maximale Haltbarkeit 3 Wochen, sollte die Qualität eines Handwerks, welches sich für den Meistertitel stark macht, hinterfragt werden.
Zuständig, verantwortlich für solche Zustände ist scheinbar niemand. Der „schwarze Peter“ wird hin und her geschoben. Fatal: schließlich sitzen alle in einem Boot, das sind an dieser Stelle die Friseurunternehmen und Mitarbeiter, die Industrie der Haarkosmetik und die Verbände.
Schuldfrage
Besonders der Friseurindustrie wird eine Schuld an der derzeitigen Situation in die Schuhe geschoben. Auch ich stehe der Friseurindustrie manchmal kritisch gegenüber, wenn ich aber weiß, dass heutzutage ein durchschnittlicher Drogeriemarkt (nur mit Haarpflegepräparaten) einen Umsatz von 40.000 € pro Monat erzielt und mein Salon nur 5% davon, kann ich nicht verlangen, bevorzugt behandelt zu werden.
Fakt ist auch: die Industrie betreibt einen kostspieligen Aufwand an Schulungsmöglichkeiten, entwickelt neue Produkte und Techniken. Aber nur eine geringe Minderheit der, in diesem Beruf Tätigen, nimmt diese Möglichkeiten war. In den Chefetagen der Konzerne sitzen keine Gutmenschen sondern Kaufleute und Manager. Ist es verwunderlich, dass man sich dem Drogeriemarkt zuwendet wenn die Friseure die Angebote der Industrie nicht nutzen?
Ähnliches gilt für die Verbände. Die Friseure sind in der Vergangenheit (aus Kostengründen) ausgetreten, keiner will sich hier engagieren. Gleichzeitig fordert die Basis nach Handlungen, nach Konsequenzen im Markt. Innungen sind weitgehend zur Untätigkeit verdammt, es fehlt Geld welches die Basis selber entzogen hat.
Und die Friseure selber?
Die repräsentative Markterhebung des Magazins „SPIEGEL“ Outfit 4) zeigte schon vor einigen Jahren das Kleidung, Schuhe aber auch Socken und Unterwäsche in der Gunst des Publikums mehr Anziehungskraft entwickeln als ein Friseurbesuch. Geändert hat sich seitdem nicht viel und auch die Erkenntnis des IKV, das 59 % der Kunden beim Friseurbesuch nicht das gewünschte Ergebnis erhalten, brachte ebenso wenig Wandel wie die nachfolgenden Imagekampagnen.
Manchmal scheint es mir, als würde im Friseurhandwerk die Zeit stillstehen, denn bereits vor mehr als 100 Jahren hatten die Friseure eine ähnlich schlechte Ausgangssituation. Im Jahr 1900 rangierten die 59.000 Beschäftigten (34.000 Salons) am unteren Ende der Einkommensskala.
Das Zwischenhoch der 60er, 70er und 80er Jahre beruhte nicht nur auf dem Wirtschaftswunder, sondern auch auf Fleiß und Ehrgeiz der in dieser Branche Tätigen. Helle Köpfe wie Sassoon, Hans Sievers, Dieter Schneider oder Peter Polzer gaben Input welcher die Branche positiv beeinflusste.
Beispiel: als ich 1967 meine Lehre begann wurden Männerhaarschnitte ausnahmslos trocken geschnitten. Es folgte die Zeit Vidal Sassoons und brachte den Wandel. In den Salons wurde der Mehrwert der Formschnitte beraten und der Umsatz pro Mann verdoppelte sich.
Fatal und unverständlich:
der Formhaarschnitt gewann und 1981/82 lag der pro Kopfumsatz im Herrensalon bei 40,57 DM (20,30 €uro) Der Trockenhaarschnitt wurde von der Ausbildungsordnung gestrichen, dreißig Jahre später 2011/2012 liegt der pro Kopf Umsatz pro Mann bei 16,42 €uro. (minus 3,88 €uro) Dafür erarbeiten fleißige Friseurinnen mit ausgefeilter Graduationstechnik einen Trockenhaarschnitt… statt zu beraten und den Mehrwert des Formschnitts zu verkaufen.
Ähnlich sieht es bei der vielfach herbei gewünschten und zugleich gefürchteten Renaissance der Wellbehandlungen aus. Das diese unterbleibt liegt an den Friseuren selber: zu viele Chefs und heutige Unternehmer haben niemals richtig Dauerwellen gelernt! Schlechte Ergebnisse sind die Folge und sorgen damit wiederum beim Verbraucher für die Bestätigung diverser Vorurteile.
Der grundlegende Unterschied
aus diesen „besseren“ Jahren zur heutigen Zeit ist der, heute oft fehlende, Denkansatz „was nutzt es dem Kunden?!“ Kunden sind in diesem Moment die Salonkunden, aber auch die Abnehmer der Industrie oder Beitragszahler der Verbände.
Die letzten zwei Jahrzehnte waren (für mich persönlich angefüllt) mit einer Reihe von Fehlentscheidungen, konträr jeglicher Nachhaltigkeit. Die Gedanken der Gewinnmaximierung und des schnellen Euro ließen (nicht nur im Friseurhandwerk) Werte und Normen schwinden.
Soll es im Markt wieder aufwärts gehen, brauchen wir eine qualitative Aufwertung der Leistungen, ebenso aber eine Rückbesinnung auf Basics und Werteorientierung. Schließlich arbeiten wir mit Menschen, nicht mit Waren oder Werkstücken.
Hoffnung auf Verbesserungen
geben mir die vielen jüngeren Mitarbeiter und Unternehmer die sich in sozialen Netzwerken austauschen, diskutieren, nach Auswegen und Lösungen suchen. Das ,was vor 100 Jahren Utopie war, wird heute Realität: die schnelle Information und der Informationsaustausch zum Nutzen aller Beteiligten.
Hier ist die Tendenz stark steigend: friseur-news.de verzeichnet in den letzten Monaten eine durchschnittliche Besucherzahl von fast 60.000 Friseuren/innen – in einer meiner Facebook Gruppen diskutieren über 450 Mitglieder über friseuriges… Hier passiert etwas, hier wird umgedacht und auch in die richtige Richtung gedacht!
Wir brauchen für unsere Kunden nicht die schrillen Farben oder zerfetzte Frisuren sondern typoptimierendes Arbeiten, erlebten Mehrwert, kompetente Beratung in den Salons. Leistungen mit denen sich unsere Kunden wohlfühlen und sich begeistern lassen.
Wir brauchen für die Kunden gute Produkte, dazu die Erklärung der Industrie warum diese teurer sein müssen wie im Drogeriemarkt.
Wir brauchen neue, für Kunden interessante Angebote und Leistungen. Wir brauchen eine andere Darstellung unseres Berufes: Wir müssen wieder lernen über unsere Arbeit und deren Wert nachzudenken und darüber zu reden. Wer mit ganzem Herzen Friseur ist investiert Lebenszeit, fachliches Können, Kreativität, Wissen und auch Emotionen. Hier bedarf es kommunikativer fachlicher und auch sozialer Fähigkeiten sprich Schulung und Persönlichkeitsbildung. Auch hierfür brauchen wir Industrie und Verbände die uns leiten und unterstützen!
Wir brauchen „null Toleranz“ mit Jenen, die mit Vorgaben und Gesetzen auf Kriegsfuß stehen oder ständig Schlupflöcher suchen. Das gilt für Schwarzarbeiter wie Unternehmer, gefragt sind hier insbesondere die Verbände (wobei es einige schon vormachen)
Wir brauchen Preistransparenz, unsere Kunden müssen erfahren dass ein Friseurpreis eben nicht aus 70% Gewinn besteht.
Wir brauchen für Mitarbeiter ein Überdenken des fachlichen Wissens: viele wurden wegen geringer Qualifikation in den Friseurberuf geschoben, wir müssen sie stark machen!
Aus diesem Grund befindet sich in fast allen friseur-news Rubriken, von Haarkosmetik über Saloneinrichtung bis zu Themen wie Styling oder Extension immer die zugehörige Wissensrubrik, die von den Besuchern kostenlos abgerufen werden kann.
An dieser Stelle geht mein Dankeschön an alle beteiligten Unternehmen die als Geschäftspartner dazu beitragen, das solch ein Portal überhaupt existieren kann!
Sind wir mal ehrlich – vieles ist paradox!
zum Beispiel:
aus Verbänden austreten, Beiträge entziehen - aber mehr Leistungen fordern
sichtbar schwarze Umsätze generieren - aber von den Mitarbeitern höhere Umsätze fordern
auf Weiterbildung verzichten - aber Qualitätssteigerung erwarten
auf den Meisterbrief beharren - aber ohne Ende Ausnahmen schaffen
Wir leben in einem der reichsten Länder dieser Welt - aber konzentrieren uns auf Kunden die zu wenig Geld haben.
Meine Ausbildung und mein Denkansätze sind bis heute geprägt von einem Denken im Sinne der Nachhaltigkeit, von einem Denken zum Vorteil für die Kunden (WIN Prinzip)
In diesem Sinne werde ich meine Arbeit in friseur-news und auch im fairen Salon forcieren und den Teil der Friseure, welcher in Bewegung ist, zum mitmachen einladen.
Im Moment entsteht im fairen Salon gerade das Konzept der Nachhaltigkeit…. (Online im Frühjahr)
Uns sind viele Problemstellen bekannt, es wird geduldet und geschwiegen.
friseur-news soll 2014 kritischer und lauter werden. Mit diesem Medium möchte ich Missstände aber auch Chancen aufzeigen.
Fakt ist: vieles ist so, wie es ist! Vieles werden wir nicht ändern können, seien es die Schnäppchenjäger, unmotivierte Mitarbeiter, ewige Meckerer ...
Aber wie heißt es so schön: willst Du etwas ändern, dann fang bei Dir selber an. Und mach das Beste draus!
Am Scheideweg!
Oftmals reicht es schon den eigenen Blickwinkel zu ändern. Wir meckern über alles das, was nicht passiert und funktioniert.
Was wir dazu beitragen könnten, DAS es passiert... hinterfragen wir nicht. Das ist einfacher, bequemer, menschlich > aber nicht produktiv.
Lasst uns doch einfach mal damit anfangen, das wir unser Augenmerk darauf lenken, was sehr wohl noch passiert.... auch die Kundin die jedesmal über
die Preise stöhnt, kommt schließlich noch zu uns. Sie könnte auch woanders.... !
Schnell werden wir merken, das sehr vieles, wenn nicht sogar alles, in unserer eigenen Hand liegt - wir haben es in der Hand - wohin wir gehen! Wir entscheiden - sind am Scheideweg!
Wir müssen wieder lernen , dass wir einander brauchen: die Friseure, die Industrie, und unsere Verbände.
Nur gemeinsam können wir stark sein und den Anforderungen der Zukunft begegnen.
Wir leben in einem der reichsten Länder dieser Welt - aber konzentrieren uns auf Kunden die zu wenig Geld haben.
Einladung
In diesem Sinne erinnere ich an den „Kodex für das Friseurhandwerk“ mit ausgearbeitet von der EU, der als Grundlage für die Wertegemeinschaft im Friseurhandwerk DER FAIRE SALON gilt.
Hier verzeichnen wir (mit Kooperationspartner TOPHAIR International) derzeit über 400 erfolgreiche Salons als Teilnehmer, die auch diesem Denkansatz folgen.
Hiermit möchte ich alle im Markt Beteiligten einladen nach und umzudenken.
Wir haben mit 2014 ein tolles Jahr vor uns. Großartige Fachmessen, die Friseurweltmeisterschaft... und wir sollten strahlende Gastgeber sein.
Rene Krombholz