„Als sie mir dann erzählte, in den fünf Jahren der Arbeitslosigkeit immer mal Jobs gehabt, aber vorwiegend im Bekanntenkreis Haare geschnitten, gefärbt und sogar gewellt zu haben, war ich sprachlos“ erzählt Friseurmeister Rene Krombholz aus einem Bewerbungsgespräch.
Es hat schon ‚Geschmäckle‘.
Zum einen ist es die erste Bewerbung von der Agentur für Arbeit nach fünf Monaten intensiver Suche, zum anderen bestätigt die Aussage, das was im Grunde alle wissen: da werden Leistungen auf Kosten der Allgemeinheit bezogen und nebenbei wird schwarz gearbeitet.
„In den letzten Jahren haben rund um unseren Salon einige Mitbewerber geschlossen. Deren frühere Angestellte sind jetzt arbeitslos, aber ich sehe hier regelmäßig, wie sie mit ihrem Köfferchen privat von Tür zu Tür gehen“, so Krombholz.
Es ist ein Dilemma.
Vom Fachkräftemangel ist die Rede, von Unternehmen die keine Mitarbeiter finden, auch in der Friseurbranche. „Wir müssen unser Geschäft jetzt in der Urlaubszeit einen Tag zusätzlich schließen, weil wir kein Personal finden. Ein Desaster, denn die stark steigenden Kosten sind dann kaum noch aufzufangen“ so Krombholz.
Dabei stapeln sich bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf etwas über 200 arbeitslos gemeldete Friseure/innen. Im Firmenaccount bei der Arbeitsagentur sieht Krombholz, dass in den letzten zwei Monaten über 40 Bewerber/innen aufgefordert wurden, sich vorzustellen. Bis auf die Eingangs Genannte hat sich keine/r gemeldet.
Die Zeiten haben sich geändert.
Während es früher für die Arbeitslosen eine Mitwirkungspflicht gab um die Arbeitslosigkeit schnellstmöglich zu beenden, ist diese laut Regierungsbeschluss außer Kraft gesetzt. Laut Ampel Koalition darf es keine Sanktionen mehr geben. Eine Situation, die bundesweit ähnlich ist. Dem deutschen Steuerzahler kostet das Monat für Monat um die 10 Millionen €uro, die für Arbeitslose im Friseurhandwerk gezahlt werden müssen.
Als Grund für den mangelnden Arbeitswillen
wird oft das Lohnniveau im Friseurhandwerk genannt, bestätigt Krombholz – sieht das aber nicht als die Regel. Er, der bereits 2008 die Wertegemeinschaft „Der faire Salon“ für das Friseurhandwerk gründet hat, anfangs gegen Lohndumping, schlechte Arbeitsbedingungen und für den Mindestlohn kämpfte, kann inzwischen Erfolge vorweisen.
“In unserer Wertegemeinschaft vereinen wir über 200 Mitgliedsunternehmen, in der Spitze werden hier Löhne gezahlt, die sogar die 3.000 € Grenze übersteigen, während der Tariflohn einer Friseurin (je nach Qualifikation) zwischen 1.663 bis 2.170 Euro im Monat liegt.
In meinem Unternehmen gibt es neben übertariflichen Lohn auch Provisionszahlungen und Extras wie Fahrtkostenzuschuss oder Betriebsrente. Gewinne des Unternehmens werden direkt anteilig ausgeschüttet. Bei uns haben auch Berufsanfänger kein Problem 2.000 € und mehr im Monat zu verdienen. Und trotzdem kann uns die Agentur für Arbeit keine Mitarbeiter vermitteln, obwohl dort rund 200 Kollegen/innen als arbeitslos gemeldet sind und Leistungen beziehen.
„Für das, was ein/e gute/r Friseur /in leistet, sollten die Löhne ohnehin deutlich angehoben werden“, betont der Initiator der Wertegemeinschaft „schließlich geht es nicht nur um die Haarschnitte, eine Friseur/in ist zugleich Schönheitsberater /in, Chemiker/in, Psychologe/in und braucht sehr viel Empathie“.
Warum das in der Realität anders ist?
Leider macht uns Vater Staat hin und wieder dicke Striche durch die Rechnung.
So in der Zeit der Jugendarbeitslosigkeit kurz nach der Jahrtausendwende, in welcher arbeitslose Friseurinnen im Schnellverfahren qualifiziert und in die ich AG geschickt wurden. Durch die Flut dieser Neugründungen hat sich die Zahl der Friseursalons nahezu verdoppelt und die Branche in einen harten Verdrängungswettbewerb katapultiert.
Aktuell ist es nun der Entschluss der Ampelkoalition, keine Sanktionen bei arbeitsunwilligen Arbeitslosen mehr zu verhängen -
aber es gibt noch ein ganz anderes Problem.
Um in Friseur Markt wirtschaftlich auf ehrliche Art und Weise zu überleben, bedarf es eines Stundensatzes von circa 60 € pro Mitarbeiter und Stunde.
„Im Grunde muss dieser Stundensatz in absehbarer Zeit deutlich steigen“ ergänzt Monika Schmitter, Obermeisterin der Friseurinnung Düsseldorf und begründet wie folgt:
Wie andere Dienstleistungsbranchen auch, steht das Friseurhandwerk vor schweren Herausforderungen:
- Umsatzverluste aus den Lockdowns, Monate ohne Einkommen, müssen ausgeglichen / zurückgezahlt werden.
- Rückzahlungen: erhaltene Soforthilfe muss ganz oder teilweise zurückzahlt werden
- Die Energiekosten (Heizung, Licht, Geräte, Warmwasser) steigen rasant
- Die Inflationsrate liegt bei durchschnittlich 7 % und muss aufgefangen werden
- Waren und Material verteuern sich durch Probleme bei Rohstoffen und Lieferketten (ca 10% bis 20%)
- Der Mindestlohn steigt auf 12,50 € - eine krasse Steigerung der Lohnkosten,
- Der Mitarbeitermangel wird in den nächsten Jahren für viele Betriebe zu einem Horrorszenario werden und die Unternehmen werden deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen.
Ein Stundensatz von 60 € und mehr ist für viele Mitbewerber im Markt nicht durchsetzbar, weil dann die Kunden ausbleiben und zu billigeren Anbietern wechseln, die es zur Genüge gibt.
Grund dafür
ist der unerträgliche Zustand, dass nahezu jeder dritte Salon von der Umsatzsteuer befreit ist.
Diese Befreiung erhält, wer monatlich unter 1.833 € Gesamtumsatz erzielt. (22.000 / Jahr).
Für viele Friseure ist das ein Problem: wer beispielsweise für eine aufwändige Farbtechnik mit 3 Stunden Arbeitszeit - pro Stunde 60 € entspricht 180 € (inklusive Material) - veranschlagt, muss die abzuführende Mehrwertsteuer von 34,20 € hinzu rechnen und kommt dann auf 214,20Euro Gesamtpreis. Der steuerbefreite Kleinstunternehmer kann die gleiche Leistung für 180 € anbieten…. Bei einer, aus Sicht des Kunden gleicher oder ähnlichen Leistung - entscheidet sich der Verbraucher natürlich immer für den günstigeren Preis.
Als ich 2012, in Form einer Petition an den Bundestag dieses Thema aufgriff, bekam ich zur Antwort, es sei keine Benachteiligung erkennbar. Es müsse jedem Unternehmer freigestellt bleiben, welche Umsätze er erzielen möchte. Selbst der Zentralverband des Friseurhandwerks spricht hier von einer deutlichen Wettbewerbsverzerrung, die eine gesunde Marktentwicklung nicht zulässt.
Fragen die erlaubt sein müssen
Hier stellt sich die Frage, was bei einem Gesamtumsatz von 1800 € nach Abzug von Miete und weiteren Kosten als Lebensunterhalt zur Verfügung steht. Warum ein Unternehmertum mit Risiken und Mehrarbeit eingehen, wenn man als Mitarbeiter mehr verdienen kann? Das weckt Zweifel an der Richtigkeit dieser Umsatzmeldungen, daran zweifelt sogar der Fiskus.
Krombholz, der vor Jahren eine diesbezügliche Anfrage an das Bundesfinanzministerium stellte, erhielt die Antwort, man wisse um diese Dinge, aber die zu erwartenden Nachzahlungen und Strafen ständen bei solch kleinen Betrieben in keinem Verhältnis zum Aufwand der Lohnkosten der prüfenden Beamten. Es erfolgt keine Prüfung.
Ein Freibrief mit Folgen:
die Zahl der steuerbefreiten Friseurunternehmen steigt kontinuierlich.
Vorerst hat Krombholz aus der Not eine Tugend gemacht und seinen Salon Mittwochs geschlossen. Darüber informiert auch ein großes Plakat im Schaufenster, wobei auch die Gründe benannt werden.
Diese Aktion stößt auf reges Interesse bei den Passanten, die hier auch das Gespräch suchen.
Da er auch als Pressesprecher der Friseurinnung Düsseldorf tätig ist, verfasste er zusätzlich einen offenen Brief Arbeitsminister Hubert Heil und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, in welchem er die Gründe benennt und klare, kontrollierbare Regelungen für einen fairen Wettbewerb fordert.
Die Düsseldorfer Friseurinnung, die sich seit Jahren für einen fairen Wettbewerb einsetzt und mehr Kontrollen gegen Schwarzarbeit fordert, lädt die Beteiligen zu einem konstruktiven Meinungsaustausch ein.
Der offene Brief findet sich HIER UNTERHALB