Voller Salon und leere Kasse? - Friseure zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Da kann man nur staunen!
- Im Salon alle Plätze belegt!
- Terminbuch voll!
- Ausgebucht bis ins neue Jahr!
So präsentieren sich etliche Friseurkollegen/ innen in den sozialen Medien.
Glückwunsch kann man da nur sagen!
Erfolg muss man sich bekanntlich erst erarbeiten. Wenn er so erfolgreich ist, dann herzlichen Glückwunsch.
Auf den zweiten Blick werden solche Erfolgsmeldungen fraglich.
Nämlich beim Blick in das aktuelle Jahrbuch des Zentralverbandes, in welchem die Umsatzgrößen des Friseurhandwerks (laut Umsatzsteuerstatistik 2020) präsentiert werden.
Hier zeigt sich, dass 73 % der umsatzsteuerpflichtigen Betriebe, über einen Jahresumsatz von 125.000 € nicht hinauskommen. Dabei werden in dieser Auflistung die steuerbefreiten Kleinstunternehmen (ca 29.000 Betriebe / Jahresumsatz unter 22.000 €) nicht mitgezählt. Auch wenn es sich bei diesem Jahrbuch um das Corona Jahr 2020 handelt, bleiben diese Zahlen bedenklich und bestätigen ein weiteres Bild.
Dieses Szenario malt SumUp, ein führendes globales Finanztechnologie-Unternehmen, nach einer Händler Umfrage mit rund 4000 Teilnehmern. Es ist ein eher düsteres Bild, gezeichnet von einer schwierigen Geschäftslage wo in Folge, die Unternehmer mit Erhöhung ihrer Arbeitszeit, aber auch Kürzung des eigenen Gehalts reagieren. Starke Einschnitte, die nicht sehr erfreulich sind, aber von einer, in Facebook gestarteten Umfrage des Fachmagazin TOP HAIR International, von vielen Friseuren bestätigt wurden. Darunter auch viele bekannte Namen aus dem Friseurhandwerk.
Das stellt noch nicht einmal die Erzählungen von vollbesetzten Salons und gut gefüllten Terminbüchern in Abrede. Es kann sein, kann dass sich Kollegen und Kolleginnen im eigenen Salon zu Tode schuften, aber letztlich (wegen schlechter Kalkulation) fast nichts in der Kasse haben.
Nicht zu vergessen, dass es sehr wohl auch noch gutgehende Friseurunternehmen gibt, die aber, will man den Zahlen der Umsatzsteuerstatistik folgen, nicht mehr der Mehrheit angehören.
Als Initiator der Wertegemeinschaft für das Friseurhandwerk „Der faire Salon“ folge ich mit weiteren rund 200 Mitgliedsbetrieben dem, unter Mitwirkung der EU entstandenen „Kodex für Friseure in Europa. Hier heißt es:
„Gewinne sind ein wichtiger Faktor für die Existenzsicherung und den Wohlstand eines Salons. Die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen. Wenn ein Salon Verlust macht, muss er zwangsläufig schließen. Dabei verliert jeder: die Kunden, die Inhaber und insbesondere diejenigen, deren Arbeitsplätze verschwinden“
Im Umkehrschluss heißt das aber auch: zu geringe Margen bedeuten auch einen Mangel an Weiterbildung, langfristige Entwicklung und Qualität. Um hier einen Wandel anzustreben, braucht es vor allen Dingen eines:
Ehrlichkeit
- zu sich selbst, um Defizite zu erkennen und Hilfe anzunehmen. Lebe ich diesen Friseurberuf so, wie ich es mir immer erträumt habe? Wann war meine letzte Weiterbildung, bin ich up to Date? Oder steht meine Existenz auf tönernen Füßen?
- Ehrlichkeit gegenüber dem Finanzamt und dem Allgemeinwohl. Sind meine Gewinne ausreichend für den Lebensunterhalt und meine Altersvorsorge?
- Ehrlichkeit zu Kunden – wer gute Qualität will, kann diese nicht geschenkt bekommen. Ist die 100ml Farbtube für unter 2.- € wirklich die beste Qualität, die ich meinen Kunden verspreche? Kann ich eine Arbeit auch mal ablehnen, wenn sie dem Kunden nicht zum Vorteil gereicht?
- Ehrlichkeit zu Mitarbeitern – fördern und fordern, auch wenn es unbequem ist. Sind meine Zielvorgaben transparent und klar? Können meine Mitarbeiter die Ziele gut erreichen und davon profitieren oder darben sie in Höhe des Mindestlohns?
Um der Branche Hilfestellung zu geben, haben sich einige Mitglieder der Wertegemeinschaft jetzt zusammengeschlossen. Unter „friseurbusiness.info“ erfährt man Näheres.
Es wird Zeit zusammenzurücken, neue Ideen zu entwickeln und gemeinsam nach vorne zu blicken.
Nur gemeinsam werden wir die Probleme der Zukunft lösen können, denn die werden uns noch ein Stück begleiten…..
Aber wann gab es schon mal junge Menschen, die bereits sind, für eine Farbbehandlung beim Friseur mehrere hundert €uro auszugeben?
Chancen gibt es, es gilt diese gemeinsam zu erkennen und zu nutzen.
Rene Krombholz
Der faire Salon