Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9873 Letzte Aktualisierung: 24.04.2024

Der Ruf nach besserer Bezahlung

Nur wenige Mitarbeiter sind bereit, ihre Chancen zu nutzen


Ein kurzer TV-Bericht am heutigen Dezembermorgen lässt meine Gedanken kreisen. In England hat Johnson die Wahlen gewonnen, der Brexit ist fix und Wirtschaftswissenschaftler prognostizieren eine deutliche Rezession. Millionen Menschen werden ihre Arbeitsplätze verlieren, schwere Zeiten für die Menschen sind vorprogrammiert. Indes: die Börse jubelt, die Kurse steigen, das Pfund ist auf dem höchsten Stand seit Jahren. 

Gefühlsmäßig ist das für mich krank und auch rational nicht zu verstehen. Überhaupt die Börse: mit der Börsenorientierung vieler Konzerne haben sich Unternehmen und Mitarbeiter entzweit. Menschen sind Mittel zum Zweck, nämlich des Geldverdienens, geworden.  Paradox: Konzerne oder Banken entlassen Mitarbeiter und die Kurse steigen. Kann nur Geld verdient werden, wenn Menschen leiden und ausgebeutet werden? 

Nicht den vielen kleinen und mittleren Betriebe im Friseurhandwerk geht es gut, eher den Kettenbetrieben und Discountern, die nicht unbedingt wohlwollend mit ihren Mitarbeitern umgehen.

Mein Unternehmen fällt mir ein: bei Existenzgründung stand für mich fest: behandle und bezahle deine Mitarbeiter gut, dann geht alles wie von selbst. Das war mein größter und teuerster Irrtum überhaupt, das habe ich inzwischen verstanden. Mitarbeiter verstehen bestimmte Notwendigkeiten nicht, es erschließt sich ihnen auch nicht warum Umsätze immer weiter steigen müssen, sie wissen nicht dass Kostensituationen dieses vorgeben. Also wollen sie geführt, geschoben und gefordert werden. Aber selbst dann bleiben viele Dinge problematisch. 

Fakt ist: der Ruf nach besserer Bezahlung ist gerade im Friseurhandwerk ebenso laut wie berechtigt, kann aber nur durch Mitwirkung der Beschäftigten realisiert werden. Als ich vor Jahren meiner immer klagenden Mitarbeiterin entsprechende Möglichkeiten bot und sie sich (endlich einmal) ins Zeug legte, sprangen 500,- € Provision dabei heraus. Bereits im zweiten Monat dann der Entschluss: „…das ist mir zu anstrengend…!“ und wieder zurück zum Mittelmaß.

Heute praktizieren wir ein außergewöhnliches Geschäftsmodell, von jedem Cent Gewinn, profitieren die Mitarbeiter sofort und direkt, … Begeisterung? Fehlanzeige! Empfehlungen, vermittelte Seminarinhalte, Arbeitsanweisungen werden kurzfristig aktiviert um dann wieder zum früher erlernten, aber weniger erfolgreichen Tun, zurückzukehren. Ein ewiges hin und her, ein ständiges Ermahnen und Antreiben, verbunden mit verschenkten Umsätzen und entgangenen Gewinnen für beide Seiten sind Alltag. Nur die Wenigsten Mitarbeiter sind bereit, ihre Chancen zu nutzen und mehr aus diesem wunderschönen Handwerk zu machen damit es auch für sie selber erfolgreich wird. Die gilt es zu finden und im Team zu binden, - viele andere jammern und leiden lieber – das wird wohl immer so bleiben.

Rene Krombholz im Januar 2020

 



 

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