Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9873 Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

Schwierige Friseurbranche ...

Warum ist es so, wie es ist? Ursache, Veränderung und Mitverantwortung


Gewinn vor Steuern bei 25%? 
Davon können Friseurbetriebe 2021 nur noch träumen! 
Die Zahl der Baustellen in diesem Handwerk hat sich vervielfacht, problematische Situationen überall. 

Wie konnte es dazu kommen, wer ist schuld? 
Oft folgt auf solche Fragen der Fingerzeig auf Andere…. 

Schauen wir genauer hin, auch mit zeitlichem Abstand zurück, sieht manches ganz anders aus. 
Wir alle sind diese Branche, jeder ist ein Teil dieses Mosaik, jeder trägt ein Teil Verantwortung. Nehmen wir Diese nicht wahr, dann passiert vielleicht genau das, was wir nicht wollen. Ein Appell an die Mitverantwortung eines Jeden. 

Ein Blick zurück Trotz alarmierender Zahlen und Ergebnisse war das Friseurhandwerk im ausgehenden 20. Jahrhundert nicht zum Umdenken und für Veränderungen bereit. 
Unter den Folgen leidet die Branche bis heute....

„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten!“ 
August Bebel

 Zu viele Betriebe, zu kleine Gewinne, Personalmangel, es ist so einiges, was für Zündstoff in der Branche sorgt. Um zu verstehen, was und warum vieles im Friseurhandwerk heute nicht so ist wie wir es uns wünschen, müssen wir 25-30 Jahre zurückgehen. 

1995 meldete der GfK Jahresbericht: 13,9 Mio. Friseurbesuche weniger als in den Jahren zuvor. Das Friseurhandwerk musste den bisher deutlichsten Umsatzrückgang seit 50 Jahren zu verkraften. Ein Trend, der sich über Jahre fortsetzte, trotzdem sahen die Friseure     keinen Anlass zu Veränderungen. Eine bedenkliche Entwicklung, welche den Verbraucherverbandes IKW zu einer Studie veranlasste.

In einer repräsentativen Umfrage wurden zigtausende Bundesbürger über die Zufriedenheit mit ihrem Friseur (besuch) befragt. Diese Studie wurde im Jahr 2000 vorgestellt und brachte Bedenkliches ans Licht.

Deutliche Verbraucherkritik im Jahr 2000

69 % der Kunden empfanden den Friseur als zu teuer. 
Dieses hauptsächlich, weil Preise und Leistungen nicht kommuniziert wurden. Nicht der Preis selbst stand in der Kritik. Es wurde das Fehlen von Preislisten bemängelt, Kunden forderten Klarheit und Preistransparenz.  

(Ursache hierfür waren die ersten Discountversuche, da wurde die Fönfrisur mit 12,- DM berechnet, für das Haarspray wurden an der Kasse plötzlich 4,50 DM aufgeschlagen. 
5,- DM für die telefonische Terminvereinbarung, 5,- DM für die Benutzung des Föns…. man war kreativ.)

59 % der Befragten waren mit dem Frisurenergebnis nicht zufrieden.
Dieses bezog sich hauptsächlich auf das Styling welches als „altbacken und zu steif“ empfunden wurde. 

 Friseur in Aktion 
Als Lösungsansatz wurde die Kampagne „Friseur in Aktion“ gestartet. Alle großen Firmen im Friseurhandwerk, sowie der ZV, waren beteiligt. Die die renommierte Hamburger Werbeagentur Öconomia hatte vorher Tausende Verbraucher befragt, um zu ergründen, welche Frisuren Kunden sich vom Friseur wünschen. Diese Vorschläge  wurden auf Postern und für die Kampagne genutzt, stießen hier jedoch auf Ablehnung. Zu viele Friseure hielten  diese Frisuren für untragbar, am Friseur vorbei, sie ignorierten die Kampagne. 

 Boykott der Friseure und keine Veränderung
Mit anderen Worten: bei den meisten Friseuren blieb alles beim Alten, es ändert sich nichts. Einige wenige machten es schlauer, schufen neue Angebote. „Wenn die Kunden mit dem Styling unzufrieden sind, dann bieten wir es doch einfach gar nicht mehr an!“  Ab sofort konnten sich die Kundinnen ihre Haare selbst föhnen. Der (hierdurch)    reduzierte Preis lockte viele Verbraucher vom bisherigen Stammfriseur in die neuen Discountbetriebe.

Folge: Die „Flucht“ der Kunden zum Discountfriseur
Verstärkt wurde dieser Trend durch eine notwendige, aber nicht kommunizierte Preisangleichung in Verbindung mit der Einführung des Euro. Die allgemeine Preissteigerung lag bei 1%, bei den Friseuren waren es im gleichen Zeitraum 4%. Die Verbraucher, ohnehin durch den Währungswechsel sensibilisiert, reagierten mit stillem Protest und wechselten vermehrt in Richtung Discountfriseur.
So war es nicht verwunderlich, dass die Zahl der Discounter rasant wuchs. 

In den Jahren 1999-2011 entstanden rund 3.000 weitere Salons im Discountbereich.

Das bedeutete für den einzelnen Friseursalon weniger Kunden, weniger Umsatz, notgedrungen mussten Mitarbeiter freigestellt werden. In den Jahren 2000-2009 verlor das Friseurhandwerk 22,6 % der Mitarbeiter, was bedeutet, dass geschätzt 45.000 Friseure/innen arbeitslos wurden. (ausgehend von der letzten Handwerkerzählung 1996 mit 256.000 Vollzeitbeschäftigten).   

Nebenschauplatz Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
Es war gleichzeitig die Zeit, in welcher die Arbeitslosigkeit in Deutschland stieg und 2005 einen Höchststand von 11,7 Prozent erreichte.
Um junge Menschen in eine berufliche Laufbahn zu bringen, gab es staatliche Förderungen für Ausbildungsplätze. Diese wurden besonders im Friseurhandwerk gerne genutzt. Für manche Salons waren diese jungen Menschen   billige Arbeitshilfen. Nach Abschluss der Lehre wurden diese meist direkt „entsorgt“. 

395.000 neue „Start Up’s“ die ICH AG‘s
Die schwierige Situation im Arbeitsmarkt wurde mit staatlicher Hilfe in Form von ICH AG‘s bekämpft. 
Friseurinnen, arbeitslos / suchend immerhin rund 45.000 oder im Arbeitsmarkt nicht vermittelbar, erhielten     günstige Starthilfe und Zuschüsse, wenn sie sich selbstständig machten. 
So entstanden in der Zeit von 2000 bis 2009 rund 395.000 neue kleine Unternehmen. 
Die Zahl der Friseursalons in Deutschland stieg von 63.317 im Jahr 2000 auf 77.126 Salons im Jahr 2009.  

Wettbewerbsvorteil: Umsatzsteuerbefreiung
Diese ich AG‘s, Microbetriebe und Solo Unternehmer waren durchweg zu Beginn ihrer Tätigkeit von der Umsatzsteuer befreit, weil sie die damalige Umsatzgrenze von 17.500 € Jahresumsatz nicht überschritten. 

Diese Regelung nach § 19 UStG ist bis heute gültig: wer im vorangegangenen Kalenderjahr die Umsatzgrenze von 17.500 EUR (seit 1.1.2020 = 22.000 EUR) nicht überschritten hat, und im laufenden Jahr voraussichtlich keine Umsätze von 50.000 EUR erzielen wird, ist von der Zahlung zur Umsatzsteuer befreit. 

Verzerrter Wettbewerb 
Ein Gesetz, sehr zum Unmut der Mitbewerber. Kleinstunternehmen können diese 19 % direkt für sich als Plus verbuchen oder als Preisvorteil weitergeben. 
Ein eine normale Marktentwicklung ist aufgrund dessen kaum noch möglich.   


      
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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