Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9873 Letzte Aktualisierung: 11.12.2024

Bleiben Sie sich treu - Geben und Nehmen

Auch Fairness ist ein Begriff der Nachhaltigkeit


Liebe Berufskollegen/innen 

Wie geht es Ihnen bei den aktuellen Meldungen rund um Europas Probleme?  Sind Sie genau so zornig, verwirrt oder ratlos wie ich? Überhaupt:  stößt das Thema „Flüchtlinge“, trotz vieler Hilfe, nicht nur auf Gegenliebe! Eines der häufigsten Gegenargumente: „Es gibt genügend Arme in unserem Land – wir haben kein Geld!“ Meine Meinung: Ersteres stimmt, das Zweite nicht.

Als ich vor einigen Tagen das „Düsseldorfer Gourmetfestival“ und dessen Preise (50 g Schokolade 13,- €, Flasche Champagner 680,- €) in Zusammenhang mit dem ‚angeblich nicht vorhandenen Geld, in unserer Gesellschaft in Zusammenhang brachte, bescherte es mir einen Shitstorm. So ist das heute. Das sind oft die Menschen, die mir oder Ihnen, früher ins Gesicht lächelnd mitgeteilt haben „Für unter 2.000 € netto im Monat steh ich nicht auf!“ Menschen, die um unsere Preise feilschen, am Monatsende das doppelte- oder dreifache Einkommen einer Friseurin in der Tasche haben. Genau die behaupten plötzlich, mit so wenig Geld nicht leben zu können?! Das macht mich zornig!

Aus ähnlichem Zorn heraus habe ich vor Jahren die Wertegemeinschaft „Der faire Salon“ gegründet. 
Kontra Lohndumping und Billigpreise, aber auch Kontra „hohe Löhne ohne Leistung“. Das  Ziel: ein Konsens aus Geben und Nehmen. Heute sagen wir: ein Konzept der Nachhaltigkeit. Hier ist der Gedanke des „Geben und Nehmen“ ebenso enthalten, wie der Wille,  Andere teilhaben und wachsen zu lassen, so wie es Klaus Schäfer seit vielen Jahren favorisiert und praktiziert. 

Dieses Denken fehlt in der heutigen globalen Zeit, bestätigte vor einigen Tagen auch der Präsident des europäischen Parlaments: „Wir leben in einer gewaltigen gesellschaftlichen Umbruchsituation“ sagte Martin Schulz. „Das Ego, Karriere und Besitz zählen heute mehr als das Allgemeinwohl. SO wird aber keine Gemeinschaft, keine Stadt und auch kein Land überleben können!“

Wie im Salon so überall… 
Zugegeben, in der globalen Welt ist manches unverständlich geworden:
Warum liefert unsere Industrie nach wie vor Waffen in Krisengebiete? 
Warum schaut die ganze Welt beim bösen Treiben der IS eher tatenlos zu? 
Warum subventionieren wir marode Bankensysteme mit Unsummen?
Warum 'helfen' wir Griechenland und kassieren dafür hunderte Milliarden an Zinsen? Ist das Hilfe oder Geschäft?

Deutlicher hingegen:  der Blick auf global agierende Konzerne und der, immer weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm & Reich macht weltweite Zusammenhänge erkennbar. Was bei uns billigst konsumiert wird, muss woanders billigst produziert werden! Menschen, die dafür unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften oder gar bei lebendigem Leibe verbrennen… wen interessiert das schon? Die Gedanken aus „Der faire Salon“ passen auch hier! 

Global vernetzt sehen die Menschen am anderen Ende der Welt inzwischen unseren Wohlstand – und machen sich auf den Weg.  Besonders,  wenn die von uns exportierten Waffen zum Einsatz kommen, oder wenn ihnen,  wie in Afrika, Wasser als Lebensgrundlage entzogen wird. Quellen, aufgekauft von westlichen Konzernen, direkt exportiert in unsere Supermärkte…! 

 

Der Gedanke des Geben und Nehmen, teilhaben und wachsen lassen ist an diesen Stellen global und politisch gesteuert verloren gegangen. Naturgemäß rebellieren die Schwächsten zuerst, es geht schließlich auch um ihr Leben. Auch wirtschaftlich höchste Not ist Überlebenskampf!

Die Behauptung „alles Wirtschaftsflüchtlinge“ empfinde ich als menschenverachtend. Es sind Menschen! Wer sich einmal auf den Weg gemacht hat und alles hinter sich gelassen hat, egal ob aus Todesangst oder höchster wirtschaftlicher Not - der ist bereit auch weiter zu gehen als in das nächste Auffanglager. Der sucht eine bessere Zukunft! Natürlich können wir nicht alle 60 Millionen Menschen (die derzeit unterwegs sind) bei uns aufnehmen, darum geht es mir auch nicht! 

Wir müssen erkennen, dass diese beginnende Völkerwanderung neben den Unruheherden auch eine weitere Ursache hat: wir haben ausgebeutet statt teilhaben zu lassen! Politik und globale Wirtschaft, Bankensysteme haben sich zum eigenen Nutzen verselbstständigt, Menschen, Menschlichkeit und Nachhaltigkeit hinter sich gelassen. Mit den Milliarden,  die Banken und Großkonzerne hier bei uns steuersparend,  am Allgemeinwohl vorbeigeschleust haben, hätte man weltweit vielen Menschen die Lebensumstände sicherer gestalten können. 

Auch Fairness ist ein Begriff der Nachhaltigkeit – und damit sind wir wieder in „Der faire Salon“ .Wir müssen wieder  lernen, dass unsere Welt ein Geben und Nehmen ist.  Nachhaltigkeit muss zur Lebenseinstellung werden und Jeder in unserer Gesellschaft ist gehalten dazu beizutragen. Das ist auch der Gedanke hinter „Der faire Salon“ .

Und ich wage eines zu behaupten: solange wir Nachhaltig nicht gelernt haben, bedeutet für vernünftige Lebensumstände dieser Menschen in ihrer Heimat zu sorgen, werden immer mehr Menschen in unseren Bahnhöfen eintreffen. 

Nein eine Lösung habe ich nicht, wie denn auch?  Die Probleme sind viel zu komplex und auch viel zu lange gewachsen, teilweise auch in unserer Gesellschaft verankert. Leider!!! Mit der Art unseres Konsums können wir viel bewirken, wo oder was kaufen wir? Ein erster kleiner Schritt, wenn wir die Menschenrechte dabei im Auge behalten – die gelten weltweit: 
Recht auf Arbeit und angemessene Entlohnung (Art. 6/7)
Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, einschließlich angemessener Nahrung (Art. 11) 
Recht auf den besten erreichbaren Gesundheitszustand (Art. 12) 

Aber ich kann und möchte Ihnen nur eines raten: Behalten Sie Ihren klaren Verstand, besser noch ihre Menschlichkeit! Bleiben Sie sich treu. Hören Sie auf ihr Gefühl, auf ihr Gewissen aber seien sich auch dessen bewusst, dass wir nicht die ganze Welt retten können. Aber bleiben Sie fair!

Rene Krombholz im September 2015

 

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