Wenn ich mir die sozialen Medien anschaue, wird viel über die Begriffe Leerlauf bzw. Auslastung geschrieben. Was ist denn nun diese „Auslastung“, was ist damit gemeint?
Fragen wir doch zuerst mal Google.
Google:
Die beliebtesten Synonyme für das Wort Auslastung sind derzeit unter anderem: Ladung, Nutzung, Belastung, Verwertung, Verbraucher, Ausschöpfung, Ausnutzung, Kraft, Benutzung, Beladung, Nutzbarmachung, Überlastung. Wie viele andere Wörter für Auslastung gibt es?
ᐅ Auslastung Synonym - 403 x Anderes Wort und Synonyme für Auslastung - Das sagt Google.
Anscheinend kann man das Wort Auslastung sehr unterschiedlich interpretieren. Konkretisieren wir Auslastung doch mal für das Friseurhandwerk.
Was ist mit Auslastung im Friseursalon gemeint? Unter Auslastung kann man die Nutzung des Raumes, die Nutzungszeit der Bedienplätze, die Auslastung der Öffnungszeiten oder die Auslastung der Mitarbeiterarbeitszeit verstehen. Sobald es um die Preiskalkulation und den daraus resultierenden Umsatz geht, steht die Auslastung der Mitarbeiterarbeitszeit im Focus. Im Allgemeinen wird die Zeit in der gearbeitet wird als Auslastung bezeichnet und die Zeit, in der nicht gearbeitet wird, wird als Leerlauf. Doch ist es so einfach?
Welche Mitarbeiterarbeitszeit fließt in die Berechnung der Auslastung ein?
Alle Mitarbeiter eines Salons generieren gemeinsam den Umsatz des Salons, bringen aber verschiedene Leistungen ein. Je nach Größe eines Salons gibt es Friseure (Voll- und Teilzeit), Rezeptionskräfte, Assistenzen, Reinigungskräfte, als „Hausmeister“ mitarbeitende Ehemänner, Bürohilfen und Azubis.
Die Mitarbeiter können wir einteilen in die Gruppe der „Friseure“, die am Kunden arbeiten oder anders ausgedrückt, eine Umsatzverantwortung haben und bei denen der Umsatz aufgeschrieben oder notiert wird. Eine weitere Gruppe, Assistenten und Azubis, arbeitet mit am Kunden, assistiert den Friseuren, in manchen Salons wird der Umsatz oder Teile des Umsatzes den Assistenzen und Azubis zugeschrieben, in anderen Salons nicht, da fließt der Umsatz den Friseuren zu. Diese Gruppe, Assistenzen und Azubis, verrichtet auch Arbeiten, die auf die Betreuung der Kunden und auf die Sauberkeit im Salon einzahlen und keinen Umsatz erzielen. Rezeptionskräfte, Reinigungskräfte, als „Hausmeister“ mitarbeitende Ehemänner und Bürohilfen erscheinen, wie alle vorgenannten Gruppen, ebenfalls in den Personalkosten, erwirtschaften aber keinen eigenen Umsatz. Deren Arbeitszeit wird nicht in die Auslastungsberechnung zur Preiskalkulation einbezogen. Die Personalkosten fließen in die Kalkulation mit ein, nicht aber die Arbeitszeit.
Die Rezeptionskraft hat als Aufgabe die Organisation des Salons (Begrüßung, Kassiervorgang, Verabschiedung, Einteilung der Zusatzarbeiten, Service usw.). Ihre Arbeitszeit ist nicht der möglichen Arbeitszeit am Kunden hinzuzurechnen. Einen Teil der Arbeitszeit einer Rezeptionskraft würde nur in die Berechnung der Auslastung einfließen, wenn sie einen Teil ihrer Arbeitszeit „geplant“ am Kunden arbeitet soll. Dennoch sollten gerade die Rezeptionskräfte die Auslastung beeinflussen. In einem Salon mit Rezeptionskraft sollte die Auslastung der am Kunden arbeitenden Friseur:innen höher sein als in einem Salon ohne Rezeptionskraft. In Folge einer besseren Terminierung, gegebenenfalls auch durch die gezielte Ansprache der Kunden beim Telefonat auf ergänzende Dienstleistungen, der Terminierung eines nächsten Besuchs der Kunden, kein „Vergessen“ von Dienstleistungen beim Bezahlvorgang und so weiter.
Bei Assistenzkräften ist zu klären, wie viel Zeit werden sie am Kunden arbeiten und wie viel Zeit verbringen sie mit Arbeiten wie Handtücher versorgen, Salon und Regale putzen und vieles mehr. Denn diese Nebentätigkeiten ermöglichen den Friseuren eine höhere Anzahl an Kunden zu bedienen oder mehr Dienstleistungen anzubieten und so die Auslastung zu erhöhen.
Bei den Azubis wird nicht die gesamte Anwesenheitszeit mitgerechnet, sondern eher das vorhandene Können und der Einsatz am Kunden berücksichtigt. So ist zu empfehlen bei einem Azubi im ersten Ausbildungsjahr nur ein 10tel der Arbeitszeit einzurechnen, das entspricht einem Personalfaktor von 0,1 und das 2. Ausbildungsjahr könnte mit 0,3 und das 3. Ausbildungsjahr mit 0,5 angesetzt werden.
Der Personalfaktor bildet die Arbeitskraft der Mitarbeiter nach Anzahl der Arbeitsstunden ab. Vollkräfte werden mit 1 eingerechnet und Teilzeitkräfte entsprechend ihrer Arbeitszeit und Azubis wie oben beschrieben.Das Gleiche gilt für Chefinnen und Chefs. Ich trenne deren Arbeitszeit in Arbeit am Kunden (kalkulatorischer Meisterlohn) und Arbeit am Unternehmen (Unternehmerlohn).
Kann ein Salon eine Auslastung von 100% haben?
Wenn überhaupt nach meiner Ansicht nur zu besonderen Spitzenzeiten und kurzfristig. Für die Preiskalkulation ist aber der Zeitraum eines Jahres zu berücksichtigen. Eine Auslastung von 100% bedeutet, dass jeder Mitarbeiter, der am Kunden arbeiten soll, vom ersten Schritt in den Salon bis zum Ende der Arbeitszeit jede Minute, unter Einhaltung der Pausen, am Kunden arbeitet und dabei auch alle geplanten Dienstleistungszeiten einhält.
Zu der als Leerlauf bezeichneten Zeit, in der nicht gearbeitet wird, kommt zusätzlich die Zeit dazu, in der gearbeitet wird, die aber der Kunde nicht direkt bezahlt. Beispiel: die Dienstleistung Waschen, Schneiden, Föhnen wird mit 45 Minuten angesetzt und kalkuliert. Der Mitarbeiter braucht 60 Minuten oder trägt bei der Anmeldung 60 Minuten in den Terminkalender ein. Dann entsteht ein Leerlauf im Sinne der Bezahlung in der Zeit von 15 Minuten und egal, ob der Mitarbeiter gearbeitet hat oder nicht. Mit Auslastung wird in der Preiskalkulation die Zeit bezeichnet, in der am Kunden gearbeitet wird und die der Kunden auch bezahlt.
Welche Zeiten senken die Auslastung?
Es gibt Arbeiten im Salon, die getan werden müssen, für die der Kunde aber nicht direkt zahlt: Fegen, Regale putzen, Handtücher waschen und falten, Kaffee bringen, telefonieren, ausbilden usw. Es entstehen Arbeitsausfälle durch Kunden, die nicht zum Termin kommen oder kurzfristig absagen. Und es gibt auch Zeiten im Jahresverlauf, in denen die Auslastung durch die Kundennachfrage mal höher oder niedriger ist. Und, wie oben schon beschrieben, Dienstleistungen, die länger dauern oder länger im Terminkalender angesetzt sind, als sie kalkuliert sind.
Doch auch für diese Arbeitszeiten fallen Lohnkosten für die Mitarbeiter und Gemeinkosten für den Salon an, die wir den Kunden im Preis für eine Dienstleistung in Rechnung stellen müssen. Ansonsten schmälern die fehlenden Umsätze den Gewinn des Unternehmens und gehen allein zu Lasten des Chefs.
Wie berechnet man die Auslastung und mit welcher Auslastung sollte man planen?
Zur Berechnung der Auslastung stellt man in einem ersten Schritt die mögliche Arbeitszeit der am Kunden arbeitenden Mitarbeiten in Stunden fest = Anwesenheitszeit.
In einem zweiten Schritt werden die durchgeführten Dienstleistungen eines Jahres mit den geplanten Zeiten in Minuten multipliziert und auf Stunden berechnet = gearbeitete Zeit
In einem dritten Schritt wird der prozentuale Wert der gearbeiteten Zeit an der Anwesenheitszeit berechnet = Auslastung. (mehr zum gesamten Thema Preiskalkulation und anderer Zahlen wie Lohnfaktor usw. finden Sie in meinen Zahlen-Seminaren)
Die Spanne meiner Erfahrungswerte durch Betriebsvergleiche und Kundenaussagen geht von 65% bis 85%
Wenn ich zur Kalkulation eines Dienstleistungspreises alle Kostenpositionen auf Minutenbasis ermittelt und mit der Arbeitszeit der Dienstleistung multipliziert habe, erziele ich einen Preis, der auf 100% Auslastung basiert. Das 100% Auslastung nicht dauerhaft erzielbar ist, haben wir bereits festgestellt. Nehme ich einen anderen Auslastungswert (z.B. 75%) in die weitere Berechnung auf erhöht sich der Preis der Dienstleistung. Nun werden in 75% der Zeit 100% Umsatz erwirtschaftet. Je niedriger die Auslastung (oder je höher der Leerlauf) umso weiter steigt der Preis.
Ich empfehle einen Auslastungswert in die Kalkulation zu übernehmen, der auf der einen Seite realistisch ist, mir auf der anderen Seite auch noch Luft zu einer Auslastungssteigerung im täglichen Salonalltag lässt. Planen Sie mit 90% Auslastung, ist eine Steigerung nicht sehr wahrscheinlich. Mit einem Wert von 70% ergibt sich in der Kalkulation ein höherer Preis, aber eine Auslastungssteigerung ist möglich und damit ein höherer Umsatz, der mehr Gewinn und höhere Löhne für Mitarbeiter möglich macht, ob über Provisionen oder als Festlohn.
Natürlich stellt sich bei jeder Preisanpassung die Frage der Preiselastizität. Wie viele Kunden dürfte der Salon durch die Preisanpassung verlieren, ohne dass der Umsatz sinkt. Beispiel:
Die Dienstleistung Waschen-Schneiden-Fönen kostet 60,- €. Bei 10 Kunden mit dieser Dienstleistung beträgt der Umsatz 600,- €.
Preisanpassung auf 65,- €. Mit 9,3 Kunden wird ein Umsatz von 604,50 €, mit 9,2 Kunden 598,- €, also dürfte der Salon 7% der Kunden (0,7 von 10 Kunden) verlieren und hat doch mehr Umsatz.
Preisanpassung auf 70,- €. Mit 8,6 Kunden wird ein Umsatz von 602,- €, mit 8,5 Kunden 595,- €, also dürfte der Salon 11% der Kunden (1,1 von 10 Kunden) verlieren und hat doch mehr Umsatz.
(Das Beispiel kann man auch mit 100 Kunden rechnen)
Unternehmenstraining
Peter Lehmann
Leyendeckerstr. 45
50825 Köln