Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9873 Letzte Aktualisierung: 24.04.2024

Geht es Euch gut?

Guten Tag liebe Berufskollegen/innen! Ja, die Frage ist berechtigt, noch vor wenigen Jahren war sie überflüssig.


„Na klar! Bestens!“ wäre die einstimmige Antwort gewesen. Sorgen oder Umsatzprobleme gab es anscheinend nirgendwo.

Mittlerweile hat sich ein deutlicher Wandel vollzogen: „Wir kämpfen, – wie alle Anderen auch!“ bekannte kürzlich eine bekannte Düsseldorfer Starcoiffeurin öffentlich in einer Gesprächsrunde. Ähnliche Sätze sind immer öfter zu hören, die Branchenreporte zeigen warum.

Mit 166.682,- € beziffert Wella EVA 1) den durchschnittlichen Salonumsatz 2006, den durchschnittlichen Gewinn mit 18,7 %. Wer rechnet merkt: 18,7 % entsprechen 2.597,- € Unternehmerlohn pro Monat, brutto. Nach Abzug von Steuern, Renten- und Krankenversicherung bleiben selten mehr als. 1.500,- € verfügbares Einkommen oft bei einer 50-60 Stundenwoche im Salon plus Büroarbeit.

Auch der LGH Betriebsvergleich spricht von einer deutlichen Verschuldung der Friseurbetriebe und sagt, das nicht die Entnahmen zu hoch sind, sondern die Gewinne zu niedrig. Die Vermutung früherer Jahre ,das hier so einiges am Fiskus vorbeigeführt wird, ist inzwischen fraglich. Wer, den in den Branchenvergleichen genannten hohen Verschuldungsgrad vieler Betriebe sieht, wird ahnen, dass dieses hinterfragt werden muss. Fremdkapital ist heutzutage teuer und unter dem Aspekt von Basel II geführte Bankgespräche alles andere als angenehm. Auch die Comhair Affäre war ein Warnschuss in diese Richtung.

Nicht die vielfach als Entschuldigung zitierte Konjunkturflaute oder die Friseurindustrie sind Schuld an der derzeitigen Situation. Auch ich stehe der Friseurindustrie manchmal kritisch gegenüber. Aber wenn ich weiß, dass heutzutage ein durchschnittlicher Drogeriemarkt nur mit Haarpflegepräparaten einen Umsatz von 40.000 € erzielt und mein Salon einen Bruchteil davon, kann ich nicht verlangen, bevorzugt behandelt zu werden.


Die Verbände sind gefordert!? Ja auch – aber bei der zunehmenden Zahl der Austritte sind Innungen und andere Institutionen weitgehend zur Untätigkeit verdammt, es fehlt Geld welches die Basis selber entzogen hat.
Nein, viele Ursachen liegen in der Branche selber! Die repräsentative Markterhebung des Magazins „SPIEGEL“ 4) zeigte schon vor einigen Jahren das Kleidung, Schuhe aber auch Socken und Unterwäsche in der Gunst des Publikums mehr Anziehungskraft entwickeln als ein Friseurbesuch. Geändert hat sicht seitdem nicht viel und auch die Erkenntnis des IKV das 59 % der Kunden beim Friseurbesuch nicht das gewünschte Ergebnis erhalten 5) brachte keinen Wandel.
Äußere Einflüsse kamen hinzu. Mit Einführung des Euro holten die Friseure eine längst fällige Preisangleichung nach und erhöhten ihre Preise überdurchschnittlich 6). Fatal dabei: ohne mit den Kunden darüber zu reden oder die Leistung zu steigern. 4,5 Umsatzrückgang waren die Quittung der Kunden und brachten zahlreiche Betriebe in Bedrängnis was wiederum Tausenden von Beschäftigten in dieser Branche den Arbeitsplatz kostete.

Die Agentur für Arbeit war fleißig, schickte die Arbeitssuchenden zur Meisterschule, anschließend in die Selbstständigkeit. Auch die Altgesellenregelung und die Möglichkeit direkt nach Abschluss der Lehre die Meisterprüfung zu beginnen waren politische Entscheidungen welche die Arbeitslosenstatistik schönten, dem Markt aber schadeten.
Über 9.000 zusätzliche ! Betriebe musste die Branche zwischen 2000 und 2006 bei gleichzeitig deutlich weniger Umsatz verkraften. 7)
Thema Mindestlohn - die Frage der Finanzierbarkeit bleibt bisher unbeantwortet und wird voraussichtlich zu weiteren Arbeitsplatzverlusten und einer sich daraus ergebenden Steigerung der Schwarzarbeit führen. In einer Zeit wo Großkonzerne überlegen ob zum Anreiz eines Lehrvertrages Laptop oder Handy besser geeignet sind reden wir in der Friseurbranche von Mindestlöhnen und werden in wenigen Jahren riesige Probleme haben vernünftigen Nachwuchs zu bekommen.

Die Lebenshaltungskosten steigen derzeit deutlich. Schon jetzt überlegen unsere Kunden den Einen oder Anderen Friseurbesuch zu sparen – und sprechen sogar offen darüber!

Das Denken hierzulande ist manchmal seltsam. Der Liter Speiseöl wird mit 3,99 € als teuer empfunden aber wir schütten genüsslich den Liter Motoröl für 18,- € in das Auto. Schweinefleisch über 5,- € per Kilo bleibt im Kühlregal liegen aber Katzensnacks als 85g Portion zu 2,98 ( Kilopreis 35,- € ) finden guten Absatz. Selber erinnere ich mich an Zeiten wo sich die Menschen deutlicher weniger leisten konnten als Heute – trotzdem freute sich die Vielzahl der Frauen auf den wöchentlichen Friseurbesuch. Die Frage ist: Was hat welchen Wert für den Kunden? Was haben wir Friseure versäumt? Was können wir besser machen?

Der Wunsch nach „coolen Frisuren“ sollte nicht mit kühler Dienstleistung verwechselt werden. Wir sollten wieder lernen wieder über unsere Arbeit und deren Wert nachzudenken und zu darüber zu reden. Wer mit ganzem Herzen Friseur ist investiert Lebenszeit, fachliches Können, Kreativität, Wissen und auch Emotionen. Wir sorgen dafür das sich die Kundin über Wochen hinweg mit Ihrer Frisur besser fühlen kann, - aber was ist es ihr wert?
So lange Kunden (und selbst viele Mitarbeiter) glauben das vom 30,- €uro Haarschnitt 25,- € als Gewinn übrig bleiben wird sich kein Konsens finden lassen.

Diesen beschreibt auch der Ehrenkodex für Friseure, erarbeitet unter Mitwirkung der EU. 8) Nur das Win Prinzip führt zum Erfolg. Jeder der in die Dreierbeziehung Kunde, Mitarbeiter Unternehmen integriert ist sollte einen Vorteil darin sehen.
www.friseur-news.de bietet Ihnen eine Vielzahl von Gedanken und Tipps für genau diese Problematiken im Friseurmarkt. Praxisbewährtes Wissen das im Salon und nicht am grünen Tisch entstanden ist. Schauen Sie mal rein....

1) Erfolgs Vergleichs Analyse für das Friseurhandwerk (Wella AG)
2) abhängig von Kinderzahl und Steuerklasse
3) Zahlen aus Branchenreport / Nielsen – weiteres unter friseur-news
Rubrik Brennpunkte / kritisch gedacht
4) Spiegel Dokumentation „Outfit V“ Konsumprioritäten - weiteres unter friseur-news Rubrik Markt & Branche / Erfolgsgedanken
5) Marktanalyse des IKV im Jahr 2000
6) Durchschnittliche Preisanhebung 2002 BRD 1,3 % - Friseure 3,5 % ( Quelle: Bundesamt für Statistik
7) 2000 = 63.317 Betriebsstätten – 2006 72.388.Betriebsstätten ( Quelle: Wella EVA)
8) Verhaltenskodex – Leitlinien für Europäische Friseure ( von der Europäischen Kommission unterstützte Initiative
 

Geschrieben zum Jahreswechsel 2008

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