STERN TV 03.02.2013
„Sie schießen wie Pilze aus dem Boden und werben mit Haarschnitten ab zehn Euro: ..... Billigfrisöre!!!
Doch die Niedrigpreise gehen auf Kosten der Mitarbeiter…“ so hieß es im Vorspann der Sendung STERN TV und genau so sieht es aus.
Kunden freuen sich ob der niedrigen Preise, dieser Markt boomt.
Was dahinter steckt, welche Folgen das hat… das wissen die Wenigsten. In vielen Betrieben werden bereits Dumpinglöhne gezahlt, Mitarbeiter müssen sich vom Sozialamt Hilfe holen. Wir erfahren von unglaublichen Mißständen, Arbeitbedinungen und Arbeitszeiten die den gesetzlichen Vorschriften klar widersprechen. Nicht wenige Friseurinnen treten die Flucht an: entweder in die Selbstständigkeit oder in andere Berufe. Bereits in wenigen Jahren, wenn die geburtsschwächeren Jahrgänge ins Arbeitsleben kommen, werden wir diese Mitarbeiter schmerzlich vermissen.
Auf der anderen Seite fragende Kunden: "Warum haben wir früher beim Friseur so viel Geld ausgegeben?" Diese Frage steht im Vordergrund und die Billigpreise in Großbuchstaben am Schaufenster der Friseurdiscounter locken die Kunden dorthin. Die Leerlaufzeiten bei den Inhabergeführten Salons steigen drastisch, die ersten Mitarbeiter verlieren bereits ihren Arbeitsplatz.
Dabei erhalten die Verbraucher dort eine andere, abgespeckte Dienstleistung im Schnellverfahren. Für viele Menschen ist das durchaus ausreichend... aber die Arbeitsqualität wird auf breiter Front sinken....
Vor allen Dingen: nach dem Motto "was nichts kostet - taugt auch nicht viel" wird unsere Arbeit im Wert und Ansehen sinken. In wenigen Jahren werden wir aber dringend Personal suchen - so wird das nicht funktionieren.
- Hier setzt die „Aufklärungsarbeit“ der Initiative „Der faire Salon“ an und das gelingt immer besser.
Nach der redaktionellen Zusammenarbeit und dem mehrseitigen Bericht im STERN Ausgabe 52 aus 2011 über Missstände bei der C&M Company wurde in der Branche viel diskutiert. Das Erstauen war groß - hat niemand gemerkt was hier passiert?
Im April 2012 folgte ein großer doppelseitiger Bericht in der WELT am SONNTAG der von der BILD Zeitung und dem TV Sender N24 aufgegriffen und publiziert wurde.
Jetzt also STERN TV.
Zur Sendung:
Gefallen hat mir, dass nicht grundsätzlich alle Discounter an den Pranger gestellt wurden. Discount ist in erster Linie ein anderes Geschäftskonzept mit abgespeckten Leistungen. Dort wo der Haarschnitt einen fairen Preis hat (deutlich über der 30,- €uro Grenze) wird nicht unbedingt Lohndumping usw an der Tagesordnung sein.
Wenn hier etwas billiger werden soll, funktioniert das nur durch
Optimierung der Auslastung und Arbeitsabläufe - Umsatz ergibt sich aus dem Faktor Menge mal Preis!
Discounter sind FAST Friseure ( Fast = schnell / wie Fast Food) )
• Leistung auf den Grundnutzen reduziert – Haare kürzen, fertig!
• Keine feste Zielgruppe = Ziel ist einzig der Umsatz
• Ergebnisorientiert – schneller Umsatz, Kosten sparen, kein Service
• Selten spezielle Dienstleistungen wie Welle, hochstecken usw
• Kein Treueverhalten von Kunden erwartet – wer kommt der kommt.
• Kunden müssen je nach Preissegment gewisse Mängel tolerieren
Je billiger die Leistung – je fragwürdiger sind die Umstände wie dieser Preis zu Stande kommt. Nicht nur in der Friseurbranche. Irgendwo bleiben wichtige Dinge auf der Strecke – anders geht es nicht.
Und... das Allgemeinwohl blutet aus… !
Mir, als Initiator der Initiative „Der faire Salon“ ist besonders dieses Wissen wichtig, das muss viel mehr publiziert und in die Köpfe der Verbraucher gebracht werden. Das wurde in dieser Sendung gut umgesetzt, Kompliment an die Macher!
Der Chat der Sendung lief bereits während der Sendung über, war teilweise nicht erreichbar.
Andrea Becker von der Gewerkschaft Verdi gab Antworten auf Fragen die Grund zum Nachdenken geben.
• Meine Chefin holt sich Lehrmädchen, wo das erste Jahr vom Arbeitsamt finanziert wird, nach diesem Jahr schmeißt sie die Mädchen wieder raus
• Muss bei verkaufsoffenen Sonntagen der normale Lohn gezahlt werden?
• Bin jetzt mit meiner Ausbildung fertig, hatte aber sehr viele Überstunden die nicht bezahlt wurden!!!
• wir durften keine Pause machen, wenn es den ganzen Tag voll war. Zur Antwort bekamen wir: „Es gibt auch Tage, wo nicht viel los ist, da habt ihr dann eure Pausen!“
• wo kann ich mich informieren welcher Lohn tariflich festgelegt ist?
• warum gibt es laut Tarifverträgen Lohngruppen, wenn der Chef sich eh nicht daran hält!? Was kann ich dagegen machen!?
Scheinbar gibt es in der Friseurbranche mehr Baustellen als viele glauben, es ist unwahrscheinlich dass diese Fragen nur von Mitarbeitern der Billigfriseure kamen.
Bei friseur-news.de gingen nach der Sendung über Facebook rund 250 Postings ein. Großes Entsetzen bei vielen Kollegen ob solcher Missstände… die aber bereits schon lange bei uns diskutiert werden. Aber auch vereinzelte negative Resonanzen: von Drohungen bis zu Beschimpfungen war alles dabei.
Mit der Initiative "Der faire Salon" will ich den Salons den Rücken stärken, die ehrlich und fair am Markt agieren.
Nein, auch ich kann den Markt nicht verändern. Wer preisorientiert konsumieren will, warum nicht? Der soll es tun. Aber er sollte auch wissen, wie dieser reduzierte Preis zu Stande kommt, egal ob mit Zeitdruck oder Lohnverzicht der Mitarbeiter. Das wissen Kunden vielfach nämlich nicht.
Aufklärung tut Not –nicht nur in Richtung Kunden sondern auch den Mitarbeitern sagen was ihnen zusteht, welche Rechte sie haben, welchen Lohnanspruch … aber natürlich auch welche Pflichten und Aufgaben.
• Schade dass dieses insbesondere bei Verbänden aber auch der Gewerkschaft ver.di anders gesehen wird. Unser mehrmaliges Angebot hier (ohne jegliche Kosten) zu Gunsten der Mitarbeiter zu kooperieren, wurde von Ver.Di nicht einmal beantwortet.
Es gab 2 Berichte in Landes-Verbandszeitungen, das war’s.
Aber es muss weitergehen wenn sich etwas ändern soll! Und das wird es auch!
Beim NDR liegt noch eine Dokumentation - gedreht während der Trend & Fashion Days, Sendetermin noch unbekannt. Hier bei uns steht die Presse in den Startlöchern, hatte die Sendung abgewartet... es wird sich noch einiges tun an Aufklärungsarbeit.
Rene Krombholz