Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, arbeiteten im Jahr 2017 in Deutschland 240 000 Personen in der Friseurbranche. Sie waren für einen Umsatz von rund 6,7 Milliarden Euro verantwortlich. Im Durchschnitt setzte somit jede der dort tätigen Personen mehr als 28 000 Euro im Jahr um.
Im Vergleich mit anderen zulassungspflichtigen handwerklichen Berufen (im Durchschnitt rund 126 000 Euro Umsatz pro tätige Person) reihen sich Friseurinnen und Friseure damit am Ende der Skala ein.
Das Statistische Bundesamt publizierte im Frühjahr 2020 diese Meldung, die aufhorchen lässt. Nicht nur, weil sie das Friseur Handwerk betrifft, sondern auch des Inhalts wegen. Hinter der Meldung stand ursprünglich eine Frage, die für jeden Unternehmer überlebenswichtig ist, im Friseurhandwerk wohl eher verdrängt wird: welchen Umsatz erzielt eigentlich jeder, der bei uns Tätigen? In dieser Statistik ging es um einen Vergleich innerhalb der Handwerksberufe.
Mit erschreckendem Abstand, weit abgeschlagen auf dem allerletzten Platz: dass Friseur Handwerk!
Fast uneinholbar, auf den vorderen Rängen Kfz Techniker mit 249.000 Euro Jahresumsatz pro Tätigen, gefolgt von Landmaschinentechnikern mit 244.000 € Umsatz pro Jahr und Person. Hier wurde von jedem Mitarbeiter fast zehnmal so viel Umsatz erarbeitet wird wie im Friseurhandwerk.
Das mag nicht nur am Fleiß der Menschen liegen, hier hat die Preisakzeptanz (das Auto als des Deutschen liebstes Kind) sicherlich ebenso eine Rolle gespielt, wie die Preiskalkulation in den Kfz Werkstätten selber.
Aber auch der Blick ans untere Ende der Tabelle macht es nicht besser.
Auf dem drittletzten Platz finden sich die Maler und Anstreicher wieder. Hier wurden pro Tätigen 48.000 €uro Jahresumsatz pro Kopf erzielt. Das zweitschlechteste Ergebnis landeten die Konditoren mit 46.000 €uro und Bäcker mit 48.000 €uro.
Immerhin noch ein deutlicher Unterschied im Vergleich zum Friseurhandwerk.
Das Bundesamt erklärte auf Anfrage zur Rechen- und Zählweise, das hier alle, in einem Handwerk Tätigen, mitgezählt wurden. Im Friseurhandwerk gibt es bekanntermaßen überdurchschnittlich viele Auszubildende. Somit wird diese Statistik durch die Tatsache, dass Auszubildende im Friseurhandwerk kaum Umsatz erzielen, etwas verfälscht.
Lösungsansatz Nr. 1 muss also zielführende und schnellere Einbindung in die umsatzgenerierende Salonarbeit sein.
Noch etwas ist bedenklich:
Eine Friseurin verdient tariflich nach der Lehre circa 1.600 € pro Monat.
Dieser Tariflohn der untersten Lohnstufe ergibt pro Jahr eine Lohnsumme von 19.200 €uro plus Lohnnebenkosten. Dem gegenüber stehen laut dieser Meldung 28.000 €uro an erbrachter Leistung, wobei dieser Umsatz nicht nur die Lohnkosten, sondern vieles andere ebenso abdecken muss.
Wie soll das, besonders im Hinblick auf höhere Löhne, funktionieren?
Ursprung der betreffenden Umsätze ist die Umsatzsteuerstatistik. Natürlich stellt sich mir auch die Frage, wie viel Umsatz hier nicht erscheint oder erscheinen mag. So fragte ich Einen, der sich mit Friseurhandwerk, Umsätzen, Zahlen aber auch Schwachstellen der Branche so gut auskennt, wie nur wenige: Klaus Schaefer, Chef der größten deutschsprachigen Unternehmensberatung für Friseure.
Die Antwort war eindeutig:
Diese Zahlen sind eindeutig katastrophal, unzureichende Leistungen der Beschäftigten im Friseurhandwerk. Der Schwarzgeldanteil schlägt sich hier nur marginal nieder. Auslastungsberechnungen belegen, dass ein Jahresumsatz von knapp 100 TSD Euro etwa einer Auslastung von 40 % entspricht, bei einem durchschnittlichen Preis von 45,- Euro für Waschen / Schneiden / Föhnen. Friseure und Friseurinnen mit einem Jahresumsatz von 28.000,- Euro sind somit tatsächlich in ihrer Gesamtheit als „Teilzeitkräfte“ zu sehen.
Nach unserer Erfahrung aus bald vier Jahrzehnten in dieser Branche dominiert im Friseurhandwerk eindeutig der künstlerische Anteil bei weitem, während der unternehmerische Aspekt verkümmert. Dies liegt jedoch nicht nur an den Leistungen der Mitarbeiter, sondern insbesondere am Leistungsanspruch der Chefs. Denn uns ist eine Reihe von Mitarbeitern bekannt, die beweisbar einen Jahresumsatz von 150 TSD Euro und mehr generieren, ohne monatlich ihren Kardiologen aufgrund von Überarbeitung aufsuchen zu müssen.
(Klaus Schaefer)
Eine ähnliche Aussage tätigte vor 10 Jahren der ebenfalls im Friseurhandwerk tätige Unternehmensberater Goebel:
Wertschöpfunq unzureichend:
Im Friseurhandwerk ist heute sehr oft eine zu geringe Wertschöpfung zu beobachten. Das gilt vor. allem dann, wenn einerseits die Angebotspreise niedrig sind, die Mitarbeiter aber in ihren Arbeitsabläufen alten Schemata folgen, weil sie die modernen Arbeitsschritte nicht gelernt haben, und wenn seitens der Führung des Unternehmens wenig bis kein Steuerungs-, kein Führungs- und kein Controllingverständnis vorhanden ist.
Friseurinnen haben, im Gegensatz zu der Mehrheit der arbeitenden Menschen, keine arbeitsteiligen Industriesysteme kennengelernt, sondern erbrachten fast immer in einer Art von Autonomie ihre Leistungen.
Das Lob des Kunden ist ihnen wichtig, das Trinkgeld natürlich auch. Dabei gilt: Viel Trinkgeld = Ich habe es gut gemacht und umgekehrt. Deswegen leisten viele Friseurinnen nicht das, was für das Unternehmen gut ist, sondern verbünden sich mit dem Kunden, der Kundin zum Nachteil der Kasseneinnahme.
Fehlt es an Führung, absorbieren die Teams ihre reichlich existierende Unsicherheit, „vergessen" alles das, was sie nicht leisten können, z. B. weil sie es damals in dem kleinen Lehrbetrieb erst gar nicht gelernt haben...
Das Ergebnis ist eine Nichtleistung, von der die Inhaber nichts mitbekommen.