Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9873 Letzte Aktualisierung: 11.12.2024

Ich hab da jemand privat....

Schwarzarbeit hoch im Kurs


 

„Ja, wissen Sie, ich hab da jemand privat…!“

Jahresanfang 2007. Im Salon ist jetzt etwas ruhiger, Zeit für Inventur, Planung, Kundenpflege. Letzteres hat sich als sehr erfolgreich heraus kristallisiert. Jeder Salon hat im Laufe eines Jahres Abgänge im Kundenstamm zu verzeichnen. Manche Kunden sind verzogen, andere waren (leider) irgendwann einmal nicht ganz so zufrieden ohne dass es sofort auffiel, wieder Andere wollten einfach mal etwas anders ausprobieren.

Bei einem Salon unserer Größenordnung mit einigen Tausend Kundenbesuchen pro Jahr kommt relativ schnell eine stattliche Anzahl von Karteileichen in der Kundenkartei zusammen. Viele Friseure arbeiten mit Werbemailings, schreiben diese Kunden an. Wir sind dazu übergegangen, wenigstens einen Teil der länger ausgebliebenen Kunden ,per Telefon zu kontaktieren. Das ist nicht nur persönlicher, sondern gibt gleichzeitig Aufschluss darüber ,warum Frau Müller, Meier oder Schulze nicht mehr zu uns in den Salon kommen.

Um es vorweg zu nehmen: dieses Jahr gab es am Telefon lange Gesichter! Nett, erfreut und freundlich reagierten die Angesprochenen. „Schön von Euch zu hören“ – „Ja, wissen Sie, das Geld ist doch überall knapp, und…“
Genau dieses „und wissen Sie.. und außerdem“ kam dieses Jahr bei fast 50% der angerufenen Kunden über die Lippen.
Erst der Hinweis auf wirtschaftlich schlechte Zeiten, Geld-Knappheit, dann die Erklärung: „wissen Sie, ich habe da jemand privat..“ oder „bei uns in der Nachbarschaft….“

Klipp und klar: von den Kunden die wir 2006 – warum auch immer – verloren haben lassen sich mittlerweile zwischen 40% und 50% privat die Haare schneiden.

Arbeitslos im Friseurberuf bedeutet nicht untätig zu sein zu müssen

Ein Verdacht scheint sich zu bestätigen: seit einigen Jahren werden auch im Friseurhandwerk Arbeitsplätze abgebaut. Seit der Jahrtausendwende hat diese Branche konjunkturbedingt Stellen abbauen müssen. 2005 waren ziemlich genau 20.000 Friseure/innen arbeitslos gemeldet.

Eines muss man aber wirklich nicht glauben, es wäre unrealistisch: das alle diese vorgenannten Kollegen/innen brav zu Hause sitzen und die Hände in den Schoß legen. Wir kennen die Verbraucher der heutigen Zeit mit ihrem Drang nach preiswerten Dienstleistungen und Sparangeboten. Da kommt die arbeitslose Friseurin doch gerade recht. An Angeboten mangelt es bestimmt nicht!
Hinzu kommt die kurze Verweildauer der weiblichen Beschäftigten in diesem Beruf. Bereits nach 4-5 Jahren verlässt der größte Teil der Friseurinnen den Salon um sich der Kindererziehung und der Familie zu widmen. Auch hier dürfte der eine oder andere Haarschnitt im Wohnzimmer stattfinden um die Haushaltskasse aufzubessern...

Umfrage: Anteil der Schwarzarbeit über 50%
Bereits vor einigen Jahren forcierte friseur-news eine Umfrage zum Thema „Männer im Salon“ Von 174 befragten Männern gaben damals 92 an: „ich lasse mir privat die Haare schneiden!“ Hier lag der Anteil der Schwarzarbeit bei 53% und widerspricht den vom Zentralverband geschätzten 20% erheblich.
(weiteres hierzu in diesem Artikel).

Dass dieses so ist, wissen wir Friseure wohl alle, wie schwer es ist dagegen anzugehen auch! Beispiele aus meinem Wohnort Düsseldorf:

Wahres Beispiel 1: Salon Angermann
Der Salon Angermann (*) in einem Vorort Düsseldorfs macht einen guten Eindruck. Innen und Außen ansprechend und durchdacht gestaltet, Lage gut und ohne Konkurrenz.
„Zumindest keine gemeldete“ meint Frau Angermann lakonisch und berichtet von deutlichen Umsatzeinbußen durch einen hohen Anteil an Schwarzarbeit.
„Hier wohnen etliche Friseurinnen die offiziell nicht mehr berufstätig sind und sich als Hausfrauen ein schönes Taschengeld verdienen." Bei einer Kollegin habe ich vor Jahren versucht das zu unterbinden. Sie hat einen komplett eingerichteten Friseursalon in ihrer Wohnung“ erzählt Frau Angermann und berichtet auf Nachfrage dass sie versucht hat über die örtliche Innung dagegen vorzugehen.
„Aber die erste Frage war, ob ich überhaupt Innungsmitglied sei. Als zweites dann die unverständliche Frage, ob die Schwarzarbeiterin einen Meistertitel habe ( ist dann alles legal?) und ein Verweis so wie die Bitte sich an die Gewerbeaufsicht zu wenden“

„Was sollen wir denn machen?“ habe der Ansprechpartner bei der Innung gesagt und darauf hingewiesen ,das weder handfeste Beweise noch ein richterlicher Durchsuchungsbefehl vorlägen. So einfach nur hören und wissen, - nein das reicht eben nicht!
Frau Angermann wandte sich an die Gewerbeaufsicht und wusste, dass die Beschuldigte vor etlichen Jahren bereits schon einmal wegen des gleichen Vergehens, vom Finanzamt belangt und bestraft wurde.
Die Gewerbeaufsicht kümmerte sich um diesen Fall und besuchte die Heimfriseurin. Diese verwehrte den Beamten aber den Zutritt zur Wohnung und schaltete einen Rechtsanwalt ein. Hierdurch gelang ihr die Akteneinsicht und sie erfuhr woher der Hinweis gekommen war.

Für Frau Angermann wurde in der nachfolgenden Zeit jeder Gang zum Spießrutenlauf, Sie wurde im Ortsteil als Denunziantin beschuldigt, sogar etliche Kunden/innen blieben fern.
Als Monate später immer noch der „Homesalon“ florierte, erkundigte sie sich nochmals bei der Gewerbeaufsicht, fand ihren ehemaligen Ansprechpartner aber nicht mehr vor. Der leite jetzt eine Spezialgruppe zum Kampf gegen die Schwarzarbeit, hieß es. Inzwischen sind über 4 Jahre vergangen, geändert hat sich nichts!

Wahres Beispiel Beispiel 2: Friseur Konrad
Von ähnlichen Erfahrungen berichtet Friseur Konrad (*) der einen Salon im Düsseldorfer Stadtzentrum betreibt. Eine seiner besten und umsatzstärksten Mitarbeiterinnen, nämlich Petra (*) habe Mutterschaftsurlaub, berichtet er und hofft darauf das sie möglichst bald wieder in seinem Salon arbeiten kann.

„Danach sieht es aber derzeit gar nicht aus“ meint er und berichtet dass sich Petra zwei bis drei mal pro Woche in der Nachbarschaft aufhält. „Sie besucht hier ihre ehemaligen Stammkundinnen und macht ihnen privat die Haare! Zweimal im letzten Jahr hat Petra Urlaub gemacht, - und prompt kamen auch wieder einige der Wochenkundinnen zu uns, die auch ganz offen darüber redeten!“

Sogar andere Saloninhaber haben sich an Konrad gewandt, mit der Bitte, etwas zu unternehmen weil Petra ihren Kundenkreis erweitert hat. Konrad hat Petra zur Rede gestellt, was aber keinen Erfolg zeigte.
„Petra bekommt ein geringes Erziehungsgeld, der Partner verdient knapp 1500 € brutto im Monat. Aber eine große Wohnung, Schrebergarten, 2 mal Urlaub im Jahr und zwei Autos...! Das kann ich mir selbst als Unternehmer nicht leisten!“ schimpft Konrad und erzahlt das sein Salon regelmäßig Werbe-Post eines ansässigen Großhandels bekommt, zu Händen von Frau Petra, die dort ein Einkaufskonto eröffnet hat.

Ja, an die Innung habe er sich gewandt, bestätigt er. Und auch die zuerst erfolgende Nachfrage zu der Innungsmitgliedschaft. „Betrifft es denn nicht alle Friseure, egal ob Innungsmitglied oder nicht?“ fragt er entrüstet. „Unternehmen wollte die Innung nichts, schließlich konnte ich keine handfesten Beweise vorlegen.

Wahres Beispiel 3: eigene Erfahrung
Selbst beruflich angestellte Mitarbeiter betreiben oft einen erheblichen Aufwand zur Aufbesserung ihres Lebensunterhaltes.

Selber erfuhr ich vor einigen Monaten durch purem Zufall dass eine meiner Mitarbeiterinnen (unter der Angabe meines Salons) mittels Barzahlung im Friseurgroßhandel (Salon Service Düsseldorf) einkaufte. Ihr wurde auf Wunsch eine Kundenkarte ausgestellt, die Angabe meines Salons war hierfür ausreichend!
Glauben Sie wirklich, das ein Waren Einkaufswert von 860,- €uro innerhalb von 2 Monaten nur für private Zwecke gedacht ist?
Ich glaubte dieses nicht und ließ den auf meinen Salon ausgestellten Einkaufsausweis sperren.
Heute ist diese Mitarbeiterin nicht mehr bei mir tätig - einen neuen Einkaufspass hat sie trotzdem: diesmal reichte der Gesellenbrief....

Der Schaden ist größer als viele denken!
Allein in Düsseldorf wurden im Jahr 2005 genau 857 Friseure/innen arbeitslos. (
Quelle: Rheinische Post nach Aussage des Obermeisters)

Theoretisch und problemlos könnte jede/r arbeitslose Friseur/in in Düsseldorf pro Tag eine Kundenbehandlung (oder auch mehr) vornehmen.
Geschätzter Durchschnittspreis pro Behandlung 20,-€uro, wären bei 20 Arbeitstagen 400,- €uro pro Arbeitslose/r.

Bei 857 Arbeitslosen wären das 342.800,- €uro – pro Monat die am Salon vorbei erwirtschaftet werden.

Da der pro Kopf-Umsatz im Salon aber deutlich höher anzusetzen ist ,kann von einem noch größerem Schaden ausgegangen werden. Übrigens: bundesweit sind derzeit rund 20.000 Friseure/innen arbeitslos, rechnen Sie doch einmal.....


*Namen geändert

 

Hauptmenü