Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9873 Letzte Aktualisierung: 26.09.2024

Friseurhandwerk und Agentur für Arbeit

Nicht immer läuft es optimal ....


Der Fachkräftemangel im Friseurhandwerk wird mittlerweile existenzbedrohend, die ersten Salon schließen mittlerweile, weil keine Mitarbeiter zur Verfügung stehen. 
Umso unverständlicher ist, dass die Zahl der Arbeitslosen in diesem Handwerk im Jahr 2023 um 10,52 % gestiegen ist. Mit den immer wieder ins Gespräch gebrachten Niedriglöhnen in dieser Branche kann das nicht mehr erklärt oder begründet werden. Das Lohnniveau hat sich deutlich nach oben bewegt und liegt für Auszubildende knapp unter der 1.000 € Grenze im dritten Lehrjahr, die Tarife für Friseurinnen beginnen inzwischen bei rund 2.500 €. 

Bei unserer Mitgliederversammlung der Innung Düsseldorf hatten wir das Glück Frau Brigitta Kubsch-von Harten, Vorsitzende der Geschäftsführung, Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion NRW als Referentin begrüßen zu dürfen. Eine rege Diskussion folgte und war der Grund sich einmal mit einigen Dingen auseinander zu setzen. 
Nicht immer läuft es zwischen Agentur und Markt optimal – ein Austausch ist daher wichtig. 

Dieser sollte allerdings bereits mit einer Meldung offener Stellen bei der Agentur anfangen, ansonsten kann die Situation am Arbeitsmarkt nicht real eingeschätzt werden. Viele Unternehmer verzichten darauf – folglich resümiert diese Behörde keinen großen Bedarf. Auch die Rückmeldung, ob sich vorgeschlagene Bewerber/innen vorgestellt haben, sollte ausnahmslos erfolgen.  

Problemstellen und mögliche Lösungen:

Bürgergeld
Ein aktuelles Beispiel:  Friseurin, 4 Tage Woche, Bruttogehalt 2.400 € 
es bleiben netto zum Lebensunterhalt bei Steuerklasse I: 1.770 €.

Geht diese Mitarbeiterin in die Arbeitslosigkeit, hat sie bei einer Miete von 750 € und je 80 € Kosten für Heizung und Nebenkosten, einen Anspruch auf Bürgergeld in Höhe von 1.473 € (verfügbar / netto), bedeutet ein Minus von rund 300 €.

Während und nach Corona hat sich der Friseurmarkt drastisch gewandelt. Mobile Friseure (Behandlung beim Kunden daheim) sind inzwischen das am stärksten gewachsene Segment im Friseurmarkt. (2023).  Nicht wenige der arbeitslos gemeldeten Kollegen: innen nutzen diese Chance. 

Rechnet man pro Tag lediglich eine Kundenbehandlung zu einem Durchschnittspreis von 40 € summiert sich das im Monat flott auf eine Summe zwischen 800 € und 1000 €. Somit steigt das verfügbare Nettoeinkommen - in Verbindung mit dem Bürgergeld – auf über deutlich über 2.000 €. 
Brutto sind das für einen Arbeitgeber rund 3.500 Lohnkosten, in der Friseurbranche nur für wenige Friseurunternehmen finanzierbar.

  • Mag die Ablehnung einer Arbeitsaufnahme im Gesamten niedrig sein, im Friseurhandwerk ist das leider anders, die steigenden Arbeitslosenzahlen beweisen das. 
    Der Ruf nach Sanktionen wird immer lauter – diese können aber nur erfolgen, wenn die Agentur ein Feedback (über nicht erfolgte Bewerbungen) bekommt. Das ist zu selten der Fall. 
  •  

Finanzierbarkeit des Arbeitsplatzes
Betriebswirtschaftlich rechnen sich Mitarbeiter im Friseurhandwerk erst, wenn sie das 3,5 bis 4 fache ihres Brutto Monatslohn in Form von Dienstleistungen erwirtschaften. In der heutigen Zeit nur realisierbar mit intensiver und guter Beratung.

Gute Beratung erfordert Sprachkenntnis aber auch gelernte Kommunikation und Fachwissen. Das Angebot von Bewerbern:innen mit Migrationshintergrund ist überwältigend aber nicht zielführend. Solche Arbeitskräfte können aus wirtschaftlichen Gründen nur für Hilfsarbeiten genutzt werden, das bedeutet Tätigkeiten im Niedriglohn-, beziehungsweise Teilzeitbereich. Geholfen ist damit niemand. 

  • Für das Friseurhandwerk brauchen wir, besonders für Menschen mit Migranten Migrationshintergrund eine deutliche Verbesserung der Deutschkenntnisse sowie fachlicher Kommunikation. 
     

Auffangbecken für Lernschwache
Jahrelang wurden lernschwache Schulabgänger zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit subventioniert und in das Friseurhandwerk ‚entsorgt‘.
Das Ausbildungsniveau ist in weiten Teilen den Erfordernissen zurückgeblieben. Nach Beendigung der Subventionszahlungen werden diese junge Menschen oft in den Markt gestoßen, halbfertig trotz (irgendwie) bestandener Prüfung und sollen sich behaupten. 

  • Wir brauchen eine bessere und marktgerechtere Ausbildung, so wie sie von der Friseurinnung Düsseldorf unter dem Motto „Wer macht Morgen?“ initiiert worden ist.  Wenn subventioniert, dann sollten auch Vorgänge geprüft werden….. !
     

Falsche Vorrausetzungen
Grundsätzlich gilt: Friseure:innen mit bestandener Gesellenprüfung gelten als fachlich fit,  können in der Regel nicht gefördert werden.

Fakt ist allerdings, dass viele der Arbeitsuchenden nicht in der Lage sind, Arbeiten mit wenigstens mittleren Qualitätsstandard auszuüben. 

Angespannte Kostenstruktur, wenig Anwesenheitszeit der Azubis im Salon aber auch Bürokratie und Salonalltag machen es vielen Unternehmen schwer, eine gute Ausbildung zu gewährleisten. In und nach Corona hat das Friseurhandwerk rund 30.000 Mitarbeiter verloren. Ein Teil ist, wie bereits beschrieben, bei der Agentur für Arbeit gelandet; der Großteil in andere Berufe abgewandert. Hierbei handelt es sich vorwiegend um solche, wie die eben beschriebenen, Mitarbeiter die in den Salons Schwierigkeiten haben, notwendige Umsätze und Erfolgserlebnisse zu generieren.

  • Das Friseurhandwerk braucht eine fachliche Förderung junger Menschen trotz bestandener Gesellenprüfung. Ein Kriterium könnte ggf. das Zeugnis der praktischen Prüfung sein. 

Wunschberuf Friseur:in
In unseren Salons hören wir des Öfteren von Menschen mittleren Alters: „wie gern hätte ich diesen Beruf…“ oder „gerne würde ich umschulen…“ Inwieweit es Hilfsangebote beziehungsweise Fördermöglichkeiten gibt, bleibt den Friseuren ebenso verborgen wie den Umschulungswilligen. 

  • Es braucht mehr Transparenz und Informationen nach Außen welche Möglichkeiten der Unterstützung,  Spät- oder Quereinsteigern im Friseurberuf, erhalten können. 

Fazit
Nicht nur von der Agentur für Arbeit werden Friseure als Handwerker eingestuft, was aufgrund der handwerklichen Tätigkeit auch richtig ist. Tatsächlich befindet sich das moderne Friseurhandwerk aber in einer Zwitter-Situation.

Diese wird auch deutlich durch die Zugehörigkeit in der Berufsgenossenschaft „Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege“.

Letztlich sind Friseure in erster Linie Berater, Schönheitsdienstleister, sind für die Pflege und Gesunderhaltung von Haaren und Kopfhaut mitverantwortlich, mit einer typoptimierenden Tätigkeit am Äußeren des Menschen nehmen sie direkten Einfluss auf sein inneres Wohlbefinden. Ein ganzes Portfolio, was im Unterschied zu anderen Gewerken, andere Anforderungen an die Mitarbeiter stellt. Folglich sollten hier auch die Maßnahmen und Leistungen bei der Arbeitssuche / Förderung angepasst werden.

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