Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9873 Letzte Aktualisierung: 18.04.2024

Friseure und der heilige Geist

Abwarten und weiter nichts...


 

„Die Industrie ist für die meisten Friseure so etwas wie der heilige Geist ! Sie legen die Hände in den Schoß und warten auf die große Erleuchtung anstatt selber aktiv zu werden !“

Dieses sagte mir vor längerer Zeit ein bekannter Berufskollege in einem Gespräch. Lange habe ich darüber nachgedacht, um dann diesen Artikel zu schreiben.

Friseure und Industrie, ein Kapitel für sich. Eines ist sicher: beide brauchen einander ! Friseure und Industrie, eine alte Partnerschaft die in die Jahre gekommen ist. Die Zeit ist nicht stehengeblieben. Verbraucherwünsche, Zeitgeist und Konsumverhalten haben sich entschieden verändert. Um erfolgreich diesen veränderten Voraussetzungen zu begegnen ist manches in dieser Partnerschaft mit der Industrie verbesserungswürdig.

Preise und Rabattsysteme sind lange schon ein Ärgernis.
Im Drogeriemarkt ist ein Schaumfestiger der Firma XY für 5,95 € erhältlich. 250 ml Dose, ansprechende Aufmachung, durch Werbung in Zeitung und TV ausreichend bekannt. Entsprechend gut ist die Nachfrage. Im Salon nebenan steht ein Schaumfestiger des gleichen Herstellers. Ohne Werbung in diversen Medien muß der Friseur schon den doppelten Betrag als Einkaufspreis bezahlen. Mit geringem Gewinn und Mitarbeiterprovision ist dieses Produkt dann im Verkauf 3mal so teuer wie im Retailmarkt.

Hier fehlen die Argumente um den Verbraucher diesen Preisunterschied zu begründen. Bessere Qualität ? Sehen wir doch jeden Tag im Fernsehen, wie toll dieses Produkt ist ! Beratung hat ihren Preis ? Was wollen Sie bei einem Stylingprodukt großartig beraten ?

Mich stimmt dieses Dilemma nachdenklich. Es muß nicht so sein, glaube ich. Wenn ich mir die Summen vorstelle, welche die Industrie unproduktiv in den Sand setzt....

Nicht nur dieses ! Wella zum Beispiel, hier hat man dieses Jahr zum ersten Mal im Retailmarkt schwarze Zahlen geschrieben, vorher also Verluste erwirtschaftet. In den Bilanzen der Wella AG sind aber keinerlei Verluste ausgewiesen. Ordentliche Gewinne sind hier zu verzeichnen, aber woher kommen diese ? Haben die Friseure durch überhöhte Einkaufspreise die Verluste im Retailbereich ausgleichen können ? ( müssen !? )

Innovationen. Wie oft wird eine neue Haarfarbe oder Tönung vorgestellt. Neue Aufmachung, mehr Haltbarkeit, mehr Glanz. Neuer (höherer) Preis. Die Praxis zeigt: die versprochene höhere Qualität entspricht nicht immer den höheren Preis.

„Wenn die „Großen“ etwas Neues vorstellen muß es gut sein, preiswertere Produkte von kleinen Firmen sind nichts.“ Auch ein Denken vieler Friseure welches an den heiligen Geist erinnert.

Pflanzenfarben, vor Jahren eine große Innovation. Zuerst Wella, dann andere, fast ebenso erfolgreich. Scheinbar hatten viele Berufskollegen auf solche Produkte gewartet. Dabei gab es sie schon seit Jahren, fast unbekannt und erfolglos beworben. Wer kannte schon die kleine Firma Bauer, welche hervorragende Pflanzenfarben produzierte und von Wella aufgekauft wurde ? Unter dem Namen Living Colors ein voller Erfolg.

Blocker, ein Präparat um Haarspitzen von Dauerwellflüssigkeit ganz oder teilweise zu isolieren fand ich vor Jahren zuerst bei der Fa. Rowell. Der Preis für 1Liter lag bei 33,-€. Lange Zeit später brachte Wella sein Perform Stopp’ Roll. In ansprechender 150 ml Tube, laut Aufdruck mit einem Repaireffekt versehen erfüllt es den gleichem Zweck. Hier kosten 150 ml € 20,-. Der Mehrpreis für 1 Liter liegt bei ca 100,- €. Merken Sie was ? Produktinformationen und Preisvergleiche können wichtig sein!

Kostenlose Zugaben bei größeren Bestellungen gab es immer schon. Verkaufsständer, Displays, Beratungshilfen und Warenproben summieren sich zu stattlichen Beträgen.

Eine vor mir liegende Keralogie -Rechnung beläuft sich auf 3.400.- €  Warenwert. Als kostenlose Zugaben sind enthalten 250 Proben als Sachets, 200 Proben Haarbäder. (Nach Auskunft des Außendienstmitarbeiters kostet die Herstellung 0,35 / 1,00 €. ) Weiter sind enthalten 1 Warenständer ( lt. Angabe 450,-€), 1 Deko Paket, Schaufensterwerbung, Plakate, 200 Broschüren. Alles zusammengerechnet ergibt sich hier schätzungsweise ein Wert von rund 1000,- €  an „Gratis“ Zugaben. Fast 1/3 des Rechnungsbetrages!

Ihnen als Abnehmer muß klar sein, das dies nicht vom hl. Geist bezahlt wird, sondern aus Ihrer Tasche! Üben Sie Verantwortung mit den Umgang von sogenannten Werbehilfen ! Überlegen Sie was Sie wirklich brauchen und sinnvoll einsetzen können. Weisen und geben Sie zurück was Sie nicht benötigen ! Das ist ein notwendiges Feedback an die Industrie und führt letztendlich zur Kostenersparnis. Überhaupt,

Plakate und andere Werbemittel. In manch einem Schaufenster finden sich 3-5 Plakate die irgendwelche Verkaufsprodukte offerieren, sonst nichts. Machen Sie Reklame für die Industrie oder für Ihre Leistung ? Sie sollen sich mit Ihrer Leistung abheben, einzigartig und individuell sein. Wenn ich durch die Stadt gehe und in jedem zweiten Schaufenster einen entzückenden Frauenrücken als Werbung für American Colors entdecke, finde ich dies nicht individuell und erst recht nicht sinnvoll. Ebenso unverständlich ist mir, was genau dieses Plakat in Fenstern zu suchen hat aus denen tote Fliegen lugen und eine Altersstruktur jenseits der 60 erkennbar ist.

Frisurenbücher, Trendvorlagen kosten in der Herstellung sehr viel Geld und können eine gute Beratungshilfe sein. Ohne technische Anleitung sind sie gerade für jüngere Mitarbeiter nicht geeignet. Didaktisch ebenso unsinnig sind die Workshops und Vorführungen bei den Friseurmeisterschaften. Zugegeben, ich möchte die „Großen“ mit Show und Tamtam nicht missen. Aber ich frage mich, wie sieht so mancher Haarschnitt aus, der aus der Erinnerung einer 20 Minuten Show, Tage später im Salon nachvollzogen wird ? Sinnvoller erscheinen mir da eher Frisurenbücher zu denen ein Technikbuch geliefert wird ( Schwarzkopf mit Essential Looks ) oder Schulungsvideos zu neuen Techniken ( Wella American Colors und Varioform ) Auch hier entscheiden Sie was für Sie sinnvoll und brauchbar ist. Alles andere sollten Sie zurückweisen oder Ihrem Verkaufsberater sagen was Sie sich wünschen. Er kann Ihre Vorstellungen weitergeben.

Außendienstmitarbeiter der Industrie arbeiten auch nicht umsonst. Folglich kosten Sie Geld. Dies ist in Ihren Einkaufspreisen mit einkalkuliert, wie alles andere auch. Seien Sie auch hier kostenbewußt. Bei jedem Besuch eines Außendienstlers entstehen Kosten. Planen Sie sinnvolle Besuchsintervalle die Sie mit Ihrem Vertreter absprechen. ( Manches kann man auch telefonisch erledigen)

Vielleicht bekommen Sie jetzt eine Vorstellung davon, welche stattlichen Summen sich einsparen lassen. Beträge, die Sie und ich, heute in unnötiger Weise mit bezahlen. Immense Einsparungen sind möglich. Zu Gunsten günstigerer Einkaufspreise oder aber auch sinnvollerer Aktivitäten . Notwendig ist lediglich ein wenig kritischeres und aufmerksameres Denken im Umgang mit der Industrie, sowie ein notwendiges Feedback an diese und ihre Außendienstler. Letztendlich richten sich Wella, Loreal , Schwarzkopf und alle anderen nach Ihren Wünschen, Sie müssen diese nur konsequent und immer wieder äußern

Rene Krombholz für MARKTLÜCKE 2000

 

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